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Fußball-Europameisterschaft 2016: Wieder Zeit für abwertende Ausfälle - Woche 1

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Gut gelaunte Erinnerungsbilder mit Reichskriegsflagge: Hooligan-Posting auf Twitter.
Screenshot Twitter, 13.06.2016

Beim ersten Bild von "Deutschland-Fans" mit Reichskriegsflagge, dass Belltower.news auf Facebook postete, fragte ein Nutzer: "Warum machen Sie dafür auch noch Werbung?" Nein, wir machen keine Werbung von rassistische, neonazistische, nationalistische Ausfälle während der Fußball-EM 2016 in Frankreich. Wir dokumentieren sie, um zu zeigen, wie schnell Party-Patriotismus in abwertenden Nationalismus, Rassismus oder gar Rechtsextremismus schwappt. Denn wir glauben, dass Fußball-Freude auch ohne Abwertung möglich ist.
 

Von Simone Rafael

+++ Warnung: Dieser Artikel dokumentiert rassistische und diskriminierende Entgleisungen während der Fußball-WM. Deshalb enthält er an einigen Stellen rassistische und gewaltvolle Sprache +++
 

Diesmal ging die Instrumentalisierung von Fußball für rassistische und islamfeindliche Hetze schon vor Beginn der Fußball-Europameisterschaft 2016 in Frankreich los.

  • Zuerst empörten sich Anhänger_innen von "Pegida Baden-Württemberg"über die nicht-weißen Kinder auf Kinderschokoladen-Tafeln - bis sie verstanden, dass es sich um Kinderbilder der Spieler der deutschen Nationalmannschaft handelte, und dann peinlich berührte ihre Facebook-Seite löschten, während ihnen die Hashtag-Kampange #CuteSolidarity zeigte, wie allein sie mit ihrer Wahrnehmung in Deutschland sind (siehe ngn).
     
  • Während früher (2006) die rechtsextreme NPD mit "WM-Planern" mit dem Titel "Weiß - nicht nur eine Trikot-Farbe. Für eine echte NATIONAL-Mannschaft" von sich reden machte, wollte diesmal die "Alternative für Deutschland" die Bühne Fußball für rassistische und islamfeindliche Hetze nutzbar machen. 
  • So äußerte AfD-Brandenburg-Vorsitzender Alexander Gauland gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", "die Leute" wollten einen wie Innenverteidiger Jerome Boateng nicht zu Nachbarn haben - und reagierte auf Kritik, dass er einen in Deutschland geborenen Christen nicht zum Nachbarn haben wolle, mit der interessanten Aussage, er habe ja nicht einmal gewusst, dass Boateng eine schwarze Hautfarbe haben. Was ja im Folgeschluss heißen müsste, dass er ihn nur wegen seines Namens nicht zum Nachbarn haben wollte - auch ein schöner Beleg für Alltagsrassismus in Deutschland. 
  • Während Gauland für seine Aussage der Gegenwind ins Gesicht blies, suchte sich eine Kollegin aus der AfD Sachsen gleich den nächsten Fußball-Bezug für islamfeindliche Hetze. Andrea Kersten, Kreisvorstand der AfD Mittelsachsen, nannte eine Reise von Stürmer Mesut Özil nach Mekka eine "öffentlichkeitswirksame Pilgerfahrt", die ein "antipatriotisches Signal" sei - und dies alles nur, weil Özil ein Foto seiner Reise auf Facebook veröffentlichte. Auch hier zeigten allerdings die Reaktionen von Millionen anderer Menschen, was sie von der AfD-Attacke hielten - nämlich nichts (vgl. Welt).
  • Kein Wunder, dass verwirrte Patrioten in der AfD daraufhin beschlossen, die Facebook-Gruppe "AfD-Fußballfreunde der Nationalmannschaft" zu gründen - denn offenbar ist das in der AfD ja nicht Konsens, die aktuelle Nationalmannschaft zu unterstützen. Die Gruppe hat 470 Fans, ist sehr schwarz-rot-gold, aber tatsächlich bisher ohne Ausfälle.
     
  • Die Grüne Jugend Rheinland-Pfalz forderte "Fußballfans, Fahnen runter", um abwertendem Nationalismus entgegen zu treten (vgl. Welt) - und erntete dafür Beschimpfungen und  Todesdrohungen. Ein CSU-Generalsekretär beschimpfte sie als "Idioten" (ND)
     

Hier noch eine Collage von Reaktionen, zusammengestellt von Schland-Watch.
 

  • Dann kam das erste Deutschland-Spiel und dazu auch die ersten rechtsextremen Ausfälle. 
     
  • Bereits mittags posierten rechtsextreme Hooligans mit Reichskriegsflagge und "Dresden Ost"-Schal in Lille, sangen "Wir sind wieder einmarschiert" und skandierten "Deutsche Hooligans" (Tagesspiegel). Dann kam es auch zu gewalttätigen Krawallen, bei denen mehr als 50 deutsche Hooligans am späten Nachmittag in der Nähe des Bahnhofs friedlich feiernde ukrainische Fans angriffen. Zwei Menschen wurden nach ersten Angaben leicht verletzt. Dabei hatte die Bundespolizei bereits in der Grenzregion von Rheinland-Pfalz 21 Hooligans gestoppt, davon 18 einschlägig bekannte Hooligans aus Dresden, die auch Sturmhauben und Mundschutze im Auto hatten,  und 3 Hooligans aus Kaiserslautern. . Wie ein Sprecher am Sonntag in Trier sagte, wurde zunächst eine 18-köpfige Gruppe einschlägig bekannter Gewalttäter aus Dresden an der Ausreise gehindert. Unter den 50 randalierenden Hooligans sollen ihrer Schals und T-Shirts nach Hooligans aus Dresden und Leipzig gewesen sein (Frankfurter RundschauSpiegel Onlinemdr). 

 

  • Oliver Pocher versuchte, Aufmerksamkeit mit rassistischem Blackfacing zu erregen:


 

  • Noch ein paar Eindrücke, die User_innen in Sozialen Netzwerken sammelten, etwa das T-Shirt "Nach Frankreich fahr ich nur auf Ketten - EM 2016":

 

  • Jens Eckleben von der AfD Hamburg sieht derweil auf Twitter im EM-Sieg des kroatischen gegen das türkische Team "einen großen Sieg für das christliche Abendland"


 

  • Und eine Leserin der Frankfurter Rundschau weiß schon ganz genau, wer an den Hooligan-Krawallen in Frankreich schuld ist - aber die "Lügenpresse" schreibt es ja wieder nicht:

 

Haben sie auch einen sexistischen, rassistischen, abwertenden Ausfall gesehen? Wir dokumentieren gern, was Sie uns unter redaktion@netz-gegen-nazis.de schicken!

 

Weitere Texte auf netz-gegen-nazis.de:

Zu vorherigen Fußball-Großveranstaltungen entstanden, aber immer noch lesenswert:

Alles zum Thema

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Fußball-Europameisterschaft 2016: Rassismus, Hooligans und Gewalt - Teil 2

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Viel Spott für AfD-Vize Alexander Gauland gab es nach Jerome Boatengs genialer Rettungsaktion im EM-Achtelfinale gegen die Slowakei: So ein Nachbar ist großartig!
Screenshots Twitter / Montage ngn

Fußball-Europameisterschaft 2016: Rassismus, Hooligans und Gewalt - Teil 2. Darin: Mehr Hooligans, mehr Krawalle, mehr Neonazis - auch international.  Rassistische Gewalt und Bedrohung mit EM-Bezug: Stuttgart, Hannoversch Münden, Reutlingen, Berlin, Bautzen, Bremen, Braunschweig. Die Sozialen Netzwerke als traurige Orte voller "unverkrampftem" Rassismus, Hass, Sexismus. Ein Todesopfer rassistischer Gewalt im EM-Kontext gab es in Italien. Und wenig Mitgefühl für die homosexuellen Opfer des Attentats von Orlando bei der Uefa.
 

Von Simone Rafael

 

  • Teil 1 der Dokumentation hier: Bestimmendes Thema der ersten Woche waren die Hooligan-Gewalt, oft mit rassistischem Hintergrund. Und Alexander Gauland maulte gegen Jerome Boateng als Nachbarn.
     

+++ Warnung: Dieser Artikel dokumentiert rassistische und diskriminierende Entgleisungen während der Fußball-WM. Deshalb enthält er an einigen Stellen rassistische und gewaltvolle Sprache +++

Hooligans und Krawalle

Bei den Krawallen in Lille zwischen deutschen und ukrainischen Fans waren auch rechtsextreme Hooligans aus Sachsen beteiligt. Einer von ihnen, aus Dresden, posteten auf Facebook  „Wir mischen mit“ und zeigt dazu Bilder und ein Video von den Ausschreitungen in der französischen Stadt. Darüber ist auf einem breiten Foto die Deutschlandfahne zu sehen. Auf ihr prangt in altdeutschen Buchstaben „Gefechtsbereit“. Auf die Seite des Hooligans kommt man über den Facebook-Account der Gruppierung „Faust des Ostens“, die der sächsische Verfassungsschutz der subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene zurechnet. Auf einem im Internet auf mehreren Seiten zu sehenden Foto aus Lille posieren Fans aus Sachsen mit der Reichskriegsflagge des Kaiserreichs. Ein Hooligan zeigt zudem den Hitlergruß. Ein weiterer hält einen Schal mit der Aufschrift „Dresden Ost“ hoch. Dabei handelt es sich um einen Trupp, der zumindest Kontakte zu Rechtsextremisten unterhält. Ein weiterer Fan zeigt einen Schal mit der Aufschrift „Perverse Menschenfresser“ und gibt sich damit offenkundig als Anhänger einer gleichnamigen Gruppierung Zwickauer Fußballfans zu erkennen (Tagesspiegel) Bei Spiel Deutschland-Ukraine war ein Dortmunder Neonazi im Stadion (Störungsmelder).

Hier noch Expertenmeinungen zur Hooligan-EM, zusammengetragen von der taz.

Und ein guter Kommentar in der Jüdischen Allgemeinen: „Oft ist die Rede vom Kommerz, der den Sport kaputt mache. Der größte Feind aber sind Nationalisten, Rassisten, Schwulenhasser und Antisemiten.“

 

Hooligans bei der Fußball-EM: Die neuen rechten Hilfstruppen

Die randalierenden Schläger in Frankreich lenken den Blick auf das Phänomen des Hooliganismus. In ganz Europa treten die gewaltbereiten Gruppen mit Rückendeckung der neuen rechten Politik ungehemmt auf. Auch außerhalb der EM verbreiten sie Rassismus und Hass (Stuttgarter Zeitung).

 

Rassistische Gewalt und Bedrohung mit EM-Bezug in Deutschland

  • Stuttgart: Nach Schüssen aus einer Schreckschusswaffe auf einen dunkelhäutigen Passanten in Stuttgart hat die Polizei einen Tatverdächtigen vorläufig festgenommen. Er ist 19 Jahre alt und stammt aus Stuttgart-Freiberg. Laut Polizei ist er bislang nicht in Zusammenhang mit politisch motivierten Taten aufgefallen. Der Schwarze Deutsche war am Sonntagabend gegen 23 Uhr in der Nähe des Hauptbahnhofs unterwegs gewesen, als sich ein Kleinwagen näherte. In diesem saßen den Angaben zufolge zwei Männer, die beide ein Deutschland-Trikot trugen. Unvermittelt soll der Fahrer mit der täuschend echt aussehenden Schreckschusswaffe auf den Passanten gezielt und mit dem Ruf „Lauf, Schwarzer“ abgedrückt haben. (Südwestpresse
     
  • Hannoversch Münden:  Vier minderjährige Geflüchtete wurden am 12.06.2016 im Kreis Göttingen von polnischstämmigen Fußballfans, die nach einem Spiel der polnischen Mannschaft mit einer Polen-Flagge unterwegs waren, angegriffen und verletzt, ihre Fahrräder wurden von den Fußballfans beschädigt. Zugleich verbreiteten die Angreifer die Lüge, die Geflüchteten hätten sie mit "Metallstangen und Zaunlatten“ angegriffen und ihre Fahrräder in Richtung der Männer geworfen (Presseportal)
     
  • Reutlingen: Nach dem Spiel Deutschland – Nordirland wird am 21.06.2016 ein 19-Jähriger in Reutlingen rassistisch beleidigt und angegriffen, einer der drei Angreifer zeigte den sogenannten Hitlergruß. Ein 24-jähriger Täter ist einschlägig polizeibekannt. Er beleidigte einen 19-Jährigen wegen seiner Hautfarbe, bespuckt ihn, versetzt ihm einen Kopfstoß und zeigt den Hitlergruß (Südwestpresse).
     
  • Berlin: Es ist schon der dritte Vorfall dieser Art auf der Berliner Fanmeile: Zwei Männer sollen am Samstag, den 02.07.2016, vor dem Spiel gegen Italien den Hitlergruß gezeigt haben. Die Polizei nahm sie vorübergehend fest. Beim EM-Spiel Deutschland gegen Italien sollen erneut Männer auf der Berliner Fanmeile den Hitlergruß gezeigt haben. Nach Angaben der Polizei vom Sonntag ermittelt der Staatschutz deswegen gegen einen 19-Jährigen und einen 22-Jährigen. Laut Polizei beobachteten Polizeibeamte und Zeugen, wie die Männer während des Abspielens der deutschen Nationalhymne vor dem Viertelfinalspiel der Europameisterschaft den verbotenen Gruß zeigten. Sie wurden vorübergehend festgenommen. In einer ersten Befragung hätten beide die Taten eingeräumt, hieß es. Ermittelt wird wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (rbb)
     
  • Bautzen: In Bautzen (Sachsen) feierten etwa 50 Menschen in der Nacht zum Sonntag, den 03.07.2016, den Sieg der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, als in der Menschenmenge ein 20-jähriger Libyer und 43-jähriger Bautzener in Streit gerieten. Dabei besprühte der junge Mann den anderen mit Reizgas und schlug ihn mit einem Regenschirm. Wie die Polizei am Sonntagnachmittag mitteilte, ist der 43-Jährige der Polizei als rechtsmotiviert bekannt. Laut Polizei sei unklar, wer den Streit begonnen habe. Kurz danach informierte ein Zeuge die Polizei, dass sich vor einem Haus mehrere dunkel gekleidete Männer versammelt haben. Anwohner sprachen später von etwa zehn Personen. Die Gruppe skandierte rechte Parolen. Offenbar versuchten einige der Männer, in ein Haus einzudringen, in dem ein 24-jähriger Syrer lebt. Dieser war bei der vorangegangenen Auseinandersetzung involviert gewesen. Er hatte den 20-jährigen Libyer begleitet (Sächsische Zeitung)
     
  • Bremen: Im Bremer Ostertorviertel ist es nach dem EM-Halbfinale zu einem rassistisch motivierten Übergriff auf einen 17-jährigen Bremer mit dunkler Hautfarbe gekommen. Das Opfer wurde laut Polizeiangaben von einer fünfköpfigen Gruppe bedrängt und beleidigt. Das Quintett soll zuvor lautstark verfassungswidrige Parolen gerufen haben. Wie die Polizei mitteilte, stiegen gegen 0.40 Uhr an der Haltestelle "Theater am Goetheplatz" drei Männer und zwei Frauen aus der Straßenbahn Linie 3. Laut Zeugenaussagen riefen sie zuvor rechte Parolen. Einer aus der Gruppe ging demnach auf den 17-jährigen Bremer zu und bedrängte und beschimpfte ihn mit rassistischen Ausdrücken. Zwei 45 und 61 Jahre alte Männer bekamen den Vorfall mit und eilten dem Jugendlichen zu Hilfe. Sie wurden daraufhin mit einer Flasche und einem Fahrrad beworfen, verletzten sich aber nur leicht. Anschließend stieg die Gruppe wieder in die Straßenbahn und verließ diese laut weiteren Aussagen wohl an der Haltestelle Sielwall (Weser-Kurier).
     
  • Braunschweig: Nazischläger in der Innenstadt nach Halbfinale - Am Donnerstagabend waren in Braunschweig gegen 23 Uhr zwei Männer unterwegs, die nach Polizeiangaben extrem rechte Parolen gerufen und einen Mann geschlagen haben sollen. Die beiden sollen einen 32-jährigen Mann verprügelt haben und traten auch noch auf ihn ein, als er schon am Boden lag. Die Beamten stellten die beiden 17 und 24 Jahre alten Beschuldigten. Der 17-Jährige sei stark alkoholisiert gewesen und wurde von der Polizei seinem Vater übergeben. Unkooperativ zeigte sich der 24-Jährige. Er beleidigte und beschimpfte die Polizisten und zeigte den Hitlergruß (Regionalbraunschweig.de)

 

Auch interessant: In Mombach (Rheinland-Pfalz) gibt es eine Kneipe, "Zur Quellwiese", die ist nicht nur mit sehr vielen Deutschland-Fahnen, sondern auch mit Reichskriegsflaggen geschmückte. Ein journalistischer Kollege besuchte die Kneipe und führte ein sehr erhellendes Interview mit dem Wirt, der nach eigener Angabe "Patriot hoch 3", aber "kein Nazi" ist: "Seinen rechten Unterarm hingegen ziert ein Schriftzug. Kaum lesbar auf den ersten Blick steht dort in altdeutscher Schrift „Blut und Ehre“ - eine Parole der Hitlerjugend, eigentlich verfassungswidrig. „Blut und Ehre für meine Familie, Frau, Kinder, für Mainz, für meine Freunde“, zählt Haas auf. „Ich hab es in altdeutscher Schrift gemacht – es ist ja bekannt, warum man das macht.“ Er zögert. „Weil ich ein alter Deutscher bin“, sagt er und lacht kurz auf." (Merkurist)
 

Sexismus

ZDF-Reporterin Claudia Neumann: „Ich stehe kerzengerade im Wind“

ZDF-Reporterin Claudia Neumann hat bei der EURO in Frankreich als erste Frau im deutschen Fernsehen EM-Spiele kommentiert. Das Echo in den sozialen Medien darauf war teilweise verheerend, viele Menschen beschimpften sie auf übelste Art. Nun bezieht Neumann Stellung zu den Angriffen (Die Welt).
Frage: Claudia Neumann, wie nehmen Sie die Verbalinjurien aus dem Netz auf?
Claudia Neumann: Ich stehe weiterhin kerzengerade im Wind und bin keineswegs gefährdet, mich vom Eiffelturm zu stürzen.
Frage: Dann lesen Sie nicht, was mancher "Fan" da so alles schreibt …
Neumann: Nein ich lese wirklich nicht alles. Das ist kein Kokettieren, ich bin ohnehin nicht sehr viel unterwegs in den sozialen Netzwerken. Und ich habe mir vorher vorgenommen, das nicht zu machen, weil ich diese Reaktionen erwartet habe. Aber natürlich bekomme ich das mit, allein schon an den Reaktionen der Kollegen, die sagen: Lass dich nicht beeinflussen.
Frage: Wie gehen Sie damit um?
Neumann: Es hat ein paar Tage gedauert, aber ich habe für mich angenommen, dass ich hier nicht als Reporterin unterwegs bin, sondern in einer Funktion. Ich spiele die Rolle so gut mit, wie ich kann. Wenn es dabei hilft, dass es ein paar jüngere Kolleginnen irgendwann leichter haben – okay. Ich kann's aushalten, ich habe ein dickes Fell.

Soziale Netzwerke und ihre Tücken

 

Nach EM-Aus: Beatrix von Storch hetzt gegen DFB-Team − Das Netz läuft Sturm

Auf gewisse Weise endet die EM, wie sie anfing: Mit rassistischer Hetze durch die AfD. Anfangs hetzte Alexander Gauland gegen Jerome Boateng, am Ende kommentierte die Berliner AfD-Landesvorsitzende  und AfD-EU-Parlamentarierin Beatrix von Storch nach dem deutschen Aus im EM-Halbfinale auf Twitter: „Vielleicht sollte nächstes mal dann wieder die deutsche NATIONALMANNSCHAFT spielen?“ Klingt wie die rassistische Propaganda der NPD in den letzten Jahren („Für eine wahre National-Mannschaft“), aber Storch wäre keine gute AfD-Rhetorikerin, wenn sie sich nicht ein Türchen offengelassen hätte: Gemeint sei – „natürlich“ – kein Rassismus in Bezug auf Spieler mit Migrationshintergrund, sondern Kritik am offiziellen DFB-Namen „Die Mannschaft“. Inzwischen hat sie den Tweet gelöscht (Berliner ZeitungThüringer Allgemeine).

Von Storch war natürlich nicht die einzige Rechtsaußen-Akteurin, die versuchte, die EM für Abwertung und Rassismus zu nutzen. Zuvor hatte Von Storch-Parteikollegin Frauke Petry Fragwürdiges getwittert: „"Schäubles Alptraum: die inzestuösen Isländer gleich im Viertelfinale"“. Wie bitte? „Treffen“ wollte sie damit, so erklärte Petry später, rhetorisch Finanzminister Wolfgang Schäuble, weil der gesagt habe,  Abschottung führe zu Inzucht und würde Deutschland kaputt machen. Es klang aber doch wie eine rassistische Beleidigung der netten Isländer. (Merkur)

Pegidas Lutz Bachmann etwas bediente den in Rechtsaußen-Kreisen bei dieser EM beliebtesten Diskurs nach dem EM-Aus: „Glückwunsch an Afrika für den verdienten EM-Sieg über … ja was eigentlich … ach ja, „Die Mannschaft“ oder „Das Land“!? Fazit: Die besseren bzw. die mit den meisten Migranten haben gewonnen! Wir brauchen also dringend mehr Fachkräfte für „Die Mannschaft“! (dokumentiert bei "Fußball-Fans gegen rechts" auf Facebook).

Auch nicht mit Ruhm bekleckert hat sich Markus Söder (bayerischer Finanzminister, CDU) – erst gab es einen Tweet mit Deutschland-Glitzerhütchen und Pizza, die jetzt „verputzt“ werde, dann den Kommentar „Irre! Darauf warten wir seit 40 Jahren. Nur: Nie mehr Elfer für Özil. Künftig Elfer nur noch durch junge Spieler.“ Dass er sich für Özil statt für Müller oder Schweinsteiger entschied, die auch als „alte Spieler“ verschossen hatten, war natürlich reiner Zufall, sagte Söder später. Deshalb löschte er auch den Tweet (web.de).

 

Rassismus mit EM-Bezug in Sozialen Netzwerken

Journalist Sören Kohlhuber dokumentierte rassistische Ausfälle auf Twitter nach dem verlorenen Halbfinal-Spiel Deutschland gegen Frankreich. Peinlich: Dafür wurde er von Facebook gesperrt, dessen Mitarbeiter_innen wieder einmal die Dokumentation rassistischer Hetze mit rassistischer Hetze verwechselten.

 

 

Auch “Schlandwatch” dokumentiert Entsprechendes – etwa ein “entspanntes” “Italien raus” an der Pizzeria vor dem Deutschland-Italien-Spiel:

 

Oder eine Reichsflagge beim Public Viewing auf Mallorca:

 

Auch zahlreiche Nutzer_innen veröffentlichen auf Facebook ihre Erlebnisse - auch hier gab es einen Kommentar zum Public Viewing auf Mallorca:

„Nachdem Mesut Özil den Elfmeter verschossen hat, rief jemand am Nachbartisch "Der türkische Hurensohn." Als ich und mein Nachbar sofort reagierten und diese Äußerung zutiefst verurteilten waren die Betroffenen doch sehr erstaunt und beleidigten uns. Man versuchte mich dann zu beruhigen. Doch am meisten schockiert haben mich die peinlich berührten Weggucker, denen wir wohl die Partylaune unterbrochen haben. Dabei dachte ich, dass die Beleidigung des Menschen Mesut Özil die Stimmung verdorben hat. Hmmm. Dann skandierten an anderer Stelle alle Sieg. Man hörte vereinzelt Heil aus dem Hintergrund. Wieder war ich zutiefst schockiert und rief Nazis raus. Doch vielen war ich wohl eher peinlich. Beim Heil rufen hörten sie es zwar, doch duldeten es. Mein Tischnachbar und ich waren erschüttert. Tausende "Deutsche" sitzen als Ausländer in Spanien und gucken und hören weg. Ich weiß sehr wohl, dass Stimmung wichtig ist. Aber ich weiß auch, dass diese Stimmung auch Verantwortung trägt.“
 

 

Heftig war der Rassismus gegen zwei junge Französinnen beim Public Viewing in Köln:

„Einige Freunde und ich wollten heute Abend gemütlich Fussball zusammen gucken und gingen dafür in die Kölner Innenstadt. Wohlgemerkt: Unter diesen Freunden waren zwei Fransösinnen, die natürlich gerne ihr Team anfeuern wollten. Wir saßen also in einem Restaurant und bis zum 0:0 war alles gut (…).Nach Ende des Spiels schienen diese Menschen ihre Aggressionen aber an irgendjemandem auslassen zu wollen: Meine Freundinnen wurden massiv beleidigt. So einen wunderbar "unverkrampften" Patriotismus wollte ich so nicht stehen lassen. Es hat mich in dem Moment zutiefst geschockt, dass völlig Unbekannte in einer Bar auf uns losgehen. Es brach eine lautstarke Auseinandersetzung aus, während dessen eine junge Frau sich berufen fühlte, auf mich loszugehen und u.a. ein Glas Wasser nach mir zu werfen. (An dieser Stelle möchte ich sagen: es gab einige andere Menschen, die eingeschritten sind und die Freundinnen von mir verteidigt haben, auch wenn es leider zu viele gab, die nichts gesagt haben.) Die Gruppe verließ dann nach verschiedenen Aufforderungen das Restaurant. Die eine meiner Freundinnen war mittlerweile in Tränen ausgebrochen, wir alle waren völlig fassungslos, wieviel Hass uns wegen einem Fussballspiel entgegen geschlagen war.“

 

Ähnliches erlebte ein Deutsch-Italiener beim Public Viewing des Spiels von Deutschland gegen Italien in Lübeck und schilderte es der taz: "Ein Typ neben mir fing an, mich bei jeder Aktion anzupöbeln, die irgendwie gegen Deutschland lief. „Der Scheiß-Itaker soll seine Fresse halten“, war noch eine der netteren Sachen. Er hörte gar nicht mehr auf und wollte, dass ich auf seine Provokationen eingehe. Ich wollte gar nicht reagieren. Ich wollte einfach nur das Spiel gucken – es war ja auch total spannend. Aus demselben Grund hatte ich auch kein Italien-Trikot angezogen. Das mache ich schon länger nicht mehr: Ich habe einfach keinen Bock mehr auf die dummen Sprüche. Die kommen automatisch, wenn man ein Italien-Trikot trägt. Der Hinweg zur Kneipe wäre scheiße gewesen. Und der Rückweg sowieso. Egal, wie es ausgegangen wäre."

 

Rassismus und Rechtsextremismus International

 

Italien beklagt ein Todesopfer rassistischer Gewalt mit Fußball-Hintergrund: Flüchtling aus Nigeria in Paolo Calcinora auf offener Straße erschlagen

Ein Flüchtling aus Nigeria ist bei einem rassistischen Überfall in Italien auf offener Straße getötet worden. Der 36-Jährige sei in der Kleinstadt Fermo bei einem Spaziergang mit seiner Freundin von einem Fußballfan rassistisch angepöbelt und dann brutal auf den Kopf geschlagen worden, berichtete die Nachrichtenagentur Agi. Der Nigerianer sei bewusstlos zu Boden gegangen und am Mittwoch im Krankenhaus gestorben, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Die Gewalttat habe sich bereits am Dienstag ereignet (oe24.atBild.de)

Russischer Fanverband schickt Neonazi zur EM

Hass und Gewalt werden von oben gepredigt: Neonazi Alexander Shprygin gehört zur russischen Delegation. „Ich kann nichts Schlimmes daran finden, wenn Fans sich prügeln“, polterte Igor Lebedev: „Im Gegenteil: Gut gemacht, Jungs – weiter so!“ Der Hool im Anzug sitzt im Exekutivkomitee des russischen Verbands und für die ultranationalistischen „Liberaldemokraten“ im russischen Parlament. Der 43-Jährige  steht beispielhaft für ein rechtsextremes Netzwerk im russischen Fußball: Sein Assistent Alexander Shprygin ist als Delegationsmitglied mit nach Frankreich gereist – auch wenn seine rassistische Forderung, es sollten „nur slawische Gesichter in der Nationalmannschaft“ zu sehen sein, nicht erfüllt wurde. Bei einem Konzert der rechtsextremen Band „Korrotia Metalla“ zeigte Shprygin auf der Bühne den Hitlergruß. Der Neo-Nazi ist als Chef des allrussischen Fan-Verbands dabei (moponzz)
 

Englische Fans werfen Münzen nach bettelnden Roma-Kindern

Neue Bilder zeugen von der Rohheit vieler Fußball-Anhänger jenseits der Spiele. Ein Video aus Lille zeigt englische Fans, vor dem Restaurant „Les 3 Brasseurs“. Grölend werfen sie Centstücken in ihre Mitte, wo sich vier Roma-Kinder auf das Geld stürzen. Teilweise stürzen sich die Kinder aufeinander, um sich das Geld gegenseitig streitig zu machen. Zwischendrin werden Kronkorken geworfen. Große Erheiterung, als die vier bemerken, dass sie sich um Wertloses balgen. Die Meute singt, lacht, tanzt, filmt, feiert sich. Einer im weißen Rooney-Trikot geht zu den vier Jungs hin, deutet mit der Faust, an, die Kinder zu boxen. Ein alter Bekannter. Er war involviert, als britische Anhänger sich in den Straßen von Lille am Dienstag eine Schlacht mit russischen Hooligans lieferten (Welt).

 

Rassismus in Polen: Rechte missbrauchen EM-Erfolge

Rechte polnische Gruppen nutzen die Erfolge des Nationalteams als Bühne für rassistische Parolen. Die polnische Ultraszene ist stramm rechts. So liefen polnische Ultras vor dem Spiel zwischen Polen und der Ukraine in Marseille mit einem Banner mit der Aufschrift „Defenders Of European Culture“ durch die Straßen, später war es auch in der polnischen Fankurve zu sehen. Marseille, eine durch Einwanderung geprägte Stadt, gilt vielen Polen als der Inbegriff eines verhassten multikulturellen Westeuropas, das seine Wurzeln verloren hat. Eine Sichtweise, die nicht nur bei polnischen Rechtsradikalen verbreitet ist. Rechte Kräfte versuchen vielfältig, die Erfolge der polnischen Mannschaft zu vereinnahmen. So postete die „Allpolnische Jugend nach dem Achtelfinalsieg gegen die Schweiz ein Foto der Mannschaft in Anzügen mit der Parole: „All Different. All White. Poland Euro 2016“. Zum Glück reagiert der polnische Fußballverband, der sich in der Vergangenheit mit der Bestrafung so mancher rassistischer Symbole in den Stadien schwergetan hatte, dieses Mal sofort. Der Verband kündigte einen Tag später rechtliche Schritte gegen den Missbrauch dieses Bildes an (Tagesspiegel

 

Fußball-EM ohne Regenbogen: Österreichischem Fußballfan wurde Eintritt mit Regenbogenfahne im Stade de France verboten

Christoph Krottmayer (33) hatte sich sehr auf das Fußballspiel Österreich gegen Island im Pariser Stade de France gefreut (das Spiel endete mit einer 1:2-Niederlage für sein Heimatteam). Mit Freunden war er angereist, um das Nationalteam der Österreicher zu unterstützen. Mit im Gepäck: seine Regenbogenfahne. Den Ticketkontrolleuren sind Fahnen egal, aber bei der Security war dann Schluss. Der französische Sicherheitsmitarbeiter identifizierte die Fahne als „Schwulenfahne“, was ja so auch nicht ganz richtig ist, und zeigte sie seinem Vorgesetzen. Der wiederum erklärte strikt, dass die Fahne draußen bleiben muss, weil die UEFA keine „politischen Statements“ im Stadion erlaube. Für Christoph ist das aber in erster Linie kein politisches Statement sondern eine Bekundung von Offenheit und Sichtbarkeit. Zumal die UEFA ja mit ihrer RESPECT-Kampagne genau das propagiert. Selbst die französischen Polizisten am Stadion hatten geschaltet und meinten, dass die Fahne durchaus ins Stadion gehöre – gerade nach Orlando. Christoph blieb trotz Diskussion am Ende nichts anderes übrig, als die Fahne abzugeben – er durfte sie sich nach dem Spiel wieder abholen (m-maenner.de, vgl. Deutschlandfunk).

Eine Schweigeminute für die Opfer des Attentats in Orland lehnte die UEFA übrigens auch ab (Frankfurter Rundschau).

 

Islands Fußballverband distanziert sich von dänischer Rassismus-Kampagne

Islands Fußballverband KSI hat sich vehement von einer rassistischen Kampagne der dänischen Rechtspartei "Danskernes Parti" in den sozialen Netzwerken distanziert. Darin zeigt die Partei unter anderem ein Foto jubelnder isländischer Nationalspieler mit dem Textzusatz: "Island - Europa".  Dem gegenüber steht ein Foto ausschließlich dunkelhäutiger französischer Nationalspieler, darunter Superstar Paul Pogba von Juventus Turin, mit dem Textzusatz: "Frankreich - Afrika".  In einer Stellungnahme auf seiner Homepage stellte der isländische Verband klar: "Der KSI bedauert es, mit der Danskernes Parti in Verbindung gebracht zu werden und fordert, diese Kampagne unverzüglich zu stoppen. Diskriminierende Kräfte haben keinen Platz im Fußball. Der KSI distanziert sich von Hasspropaganda dieser Art." (Sports.yahoo.com).

 

 

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Hooligan Demo floppte in Dortmund

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Zur Kundgebung von Gemeinsam Stark Deutschland kamen zwar nur wenige Hundert Menschen, unter ihnen war der Anteil von Neonazis jedoch besonders hoch.
© Robin Dullinge
Aufmacherbild-Link: 
https://www.flickr.com/photos/robindullinge/sets/72157671481265464

Eintausend Teilnehmende hatte die Polizei zur Demonstration der Hooligans von "Gemeinsam Stark Deutschland" in Dortmund erwartet – letztlich kamen nur einige Hundert. Trotz der geringen Zahl muss auf die Gefährlichkeit der Versammelten hingewiesen werden, die sich teils in mutmaßlich rechtsterroristischen Kreisen zu Hause fühlen. 

Von Robin Dullinge

Der extrem rechte Verein „Gemeinsam Stark Deutschland“, eine Abspaltung der „Hooligans gegen Salafisten“, versuchte am 8. Oktober 2016 nach zwei Jahren erneut in Dortmund zu demonstrieren, um Stärke zu beweisen. Rund 300 Teilnehmende hatte der Anmelder und Neonazi Marcel Kuschela, auch bekannt unter dem Namen „Captain Flubber“, bei der Dortmunder Polizei angekündigt. Unter dem Motto „Schicht im Schacht – Gemeinsam gegen den Terror“ wollten Neonazis und rechte Hooligans eigentlich durch die Dortmunder Innenstadt ziehen. Das Oberverwaltungsgericht in Münster folgte jedoch einer Argumentation der Polizei und wandelte die Demonstration in eine Kundgebung um.

Mit Terrorismus gegen den Terror?

Der Anmelder hatte zwar nur rund 300 Teilnehmer_innen angekündigt, erwartet wurden m Vorfeld, auch wegen einer bundesweiten Mobilisierung rund 1.000 Neonazis und rechte Hooligans. Durch den Auflagenbescheid der Dortmunder Polizei und eine engmaschige Polizeitaktik kamen letztendlich nur 500 Menschen zur Kundgebung. Überwiegend bekannte Neonazis und kaum organisierte rechte Hooligans fanden so den Weg nach Dortmund.

Auch wenn die Versammlung damit unter den Erwartungen blieb und die befürchteten Ausschreitungen ausblieben, wird insbesondere nach Recherchen von „Recherche Nord“ deutlich, dass sich der Verein „Gemeinsam Stark Deutschland“ in mutmaßlich rechtsterroristischen Kreisen bewegt. So nahmen unter Anderem Marco Gottschalk, Frontmann der „Combat 18“-Band „Oidoxie“ an der Kundgebung teil, die sogar einen Live Auftritt hatten. Auch ein Brieffreund von Beate Zschäpe, Robin Schmiemann, der Teil einer „Combat 18“-Zelle in Dortmund gewesen sein soll, war bei der Versammlung zugegen. Letztlich fand auch der als Gründer und Anführer von „Combat 18“ geltende britische Neonazi William „The Beast“ Browning den Weg nach Dortmund. Unterstützung gab es auch von niederländischen Neonazis, die sich teilweise in rechtsterroristischen Kreisen organisieren.

Kaum organisierte Hooligangruppen in Dortmund

Offenbar hatte „Gemeinsam Stark“ versucht an die erste Kundgebung von „HoGeSa“ in Dortmund anzuknüpfen, die als Vorbote für die Ausschreitungen am 26. Oktober 2014 bei der „HoGeSa“ Demonstration in Köln gilt. Doch entgegen der Erwartungen nahmen kaum organisierte Hooligan-Gruppen an der Demonstration teil. Neben der neonazistischen Hooligan-Gruppe „Borussenfront“ waren kaum „echte“ Hooligans zugegen. Vielmehr wurde es zu einem zweiten „Tag der deutschen Zukunft“ und einem Zusammenkommen von diversen Menschen, die sich zwar als Hooligans definieren, im Stadion und in klassischen fußballbezogenen Schlägereien jedoch keinerlei Relevanz haben.

Noch vor zwei Jahren hatte „HoGeSa“ diverse rechte Hooligan-Gruppen aus der gesamten Bundesrepublik mobilisieren können, so dass am Ende rund 4.000 Teilnehmer_innen zusammen kamen. Aus Nordrhein-Westfalen beteiligten sich damals diverse Hooligans aus Düsseldorf und Bochum an der Demonstration.

Zwischen Technikpanne und Alkoholkonsum

Probleme hatten die Organisator_innen der Demo vor allem mit der Technik. Mit eineinhalb Stunden Verspätung startete die Kundgebung mit Redebeiträgen von Tatjana Festerling, Edwin Wagensfeld (beide „Festung Europa), und Torsten Frank („Bekenntnis für Deutschland“). Währenddessen zog es viele Teilnehmer_innen dauerhaft in den Hauptbahnhof, vor allem um Alkohol zu konsumieren. Dabei wurden, wie die TAZ berichtet, beispielsweise auch migrantische Passant_innen angepöbelt und volksverhetzende Lieder in der Bahnhofstoilette gesungen.

Bereits um 17 Uhr beendeten die Organisator_innen die Kundgebung, nachdem ihnen rund die Hälfte aller Teilnehmer_innen quasi davon gelaufen war. Viele von ihnen verpassten den Kurzauftritt der Rechtsrock-Band „Oidoxie“, weil offenbar auch sie nicht mehr damit rechneten, dass diese auftreten würden. Für „Gemeinsam Stark Deutschland“ dürfte die Veranstaltung somit größtenteils frustrierend gewesen sein, selbst aus den eigenen Reihen ernteten die Teilnehmer_innen massive Kritik wegen des hohen Alkoholkonsums.

Am Ende bleibt dennoch ein fader Beigeschmack in Anbetracht dessen, dass es sich auch um ein Get-Together von Akteur_innen aus dem mutmaßlich rechtsterroristischen Spektrum handelte. Dortmund war damit zum zweiten Mal in wenigen Monaten der Ort für eine solche Zusammenkunft, was zeigt, dass vor den zivilgesellschaftlichen Kräften noch eine Menge Arbeit liegt bevor „Es reicht!“ tatsächlich auch in Taten umgesetzt werden kann.

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Die Hooligan-Armee von Dynamo Dresden

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"Football Army Dynamo Dresden" beim Spiel in Karlsruhe
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Die Fans von Dynamo Dresden fühlen sich schon lange zu hart sanktioniert. Und reagieren nun: mit “Soldaten”-Outfits, Kriegsrhetorik und fragwürdiger Symbolik. Circa 2000 Fans inszenierten sich am Sonntag beim Spiel gegen Karlsruhe als “Armee”. Ralf Minge, Dynamos Geschäftsführer,  distanziert sich “als Verein klar von jeder Form von Gewalt und [wir] verurteilen auch Spruchbänder, die dazu aufrufen.“ (Dynamo Dresden).
 

Von Alina Darmstadt

 

Was war los?

Schon im Vorfeld rief das Umfeld des Fußballclubs auf, mit einer “kleinen Überraschung…gemeinsam aufzutreten.“ Die kleine Überraschung entpuppte sich als ein von Trommlern angeführter Fan-Zug. Gemeinsamer Look:  Camouflage. Begleitet von Unmengen bengalischer Feuer und einem Frontbanner mit dem Motto “Krieg dem DFB“, marschierten die Fans zum Stadion und überrannten “in einer gezielten Aktion die dort eingesetzten Ordner, so dass eine Vielzahl von Personen gewaltsam und unkontrolliert in das Stadion gelangen konnte“. (tagesspiegel). 21 Ordner und 15 Polizisten wurden dabei verletzt. Der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes bestätigt nun die Einleitung eines „Ermittlungsverfahrens“  gegen den Verein.

Der Tagesspiegel berichtet weiter von nationalsozialistischen Symbolen : Der Marsch wurde von einem Trabi – ebenfalls in Tarn-Optik – mit dem Autokennzeichen „88“ angeführt. In der Naziszene ist die Zahlenkombination ein häufig gebrauchter Code. Die „8“ steht dabei für den achten Buchstaben im Alphabet, also „H“. Daraus ergibt sich das Kennzeichen „HH“ („Heil Hitler“). Nun häufen sich seit Sonntag Diskussionen, um die Hintergründe des Kennzeichens und ob tatsächlich eine rechtsradikale Gesinnung dahinter steht.

 

Warum das nicht überrascht

Trotz des Rückgangs von sichtbaren und hörbaren rassistischen und rechtsextremen Störungen in Fußballstadien sind rechtsradikale Einstellungen in Fanblocks allgemein ein Problem. Vor allem die Fans von Dynamo Dresden haben ein schlechtes Image. Sie gelten als gewaltaffin und tolerant gegenüber rechtsradikaler Gesinnung.  Daneben existiert allerdings auch die antirassistische Faninitiative "1953International", die sich schon seit 2006 gegen Rassismus und Rechtsextremismus im Fan-Block von Dynamo Dresden einsetzt.

 

Wo kann der Fanmarsch nun eingeordnet werden? 

Dass Nazis und Rechtspopulisten auch Fußballfans sein können, ist kein Geheimnis.  Wenn aber auch noch der Pegida-Initiator Lutz Bachmann tweetet: “Das ist der Osten! Das ist Dresden! Das ist Dynamo!“ (tagesspiegel), ist die Verbindung zu eher unangenehmen Ideologien nicht mehr weit hergeholt. 

Mit dem Banner “Krieg dem DFB“ offenbart sich das eigentliche Ziel der Dynamo Dresden Fan-Choreografie. Schon seit Jahren fühlen sich die Anhänger des Fußballclubs vom DFB zu stark sanktioniert. Ihnen geht es angeblich um die Frage, wie Fankultur gelebt werden soll.

Jonas Gabler vom “Kompetenzzentrum Fankulturen und Sportbezogene Soziale Arbeit” äußert sich auf Nachfrage zur Bewertung ähnlich: “Das Gesamtbild der in Karlsruhe verwendeten Symbolik verweist meines Erachtens weniger auf die extreme Rechte (Verwendung des Anglizismus ‘Footballarmy’ und eines Tarnstoffs, der zumindest nicht der Wehrmacht oder der SS zugeordnet werden kann), sehr wohl aber natürlich auf Militarismus.“

Der mitfahrende Trabi verursacht zu Recht Diskussion, scheint trotzdem ohne klaren Bezug zu rechtsradikalen Gruppierungen.  Die Bilder der Inszenierung reichen aber  aus, um deutliche Assoziationen auszulösen. Es ist die Bildsprache des Militarismus, die hier berechtigtes Unbehagen verursacht: Machtdemonstration und Gewalthabitus.

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28. Mai: Lauf gegen Rechts 2017 in Hamburg

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Flyer für den 2017er Lauf gegen Rechts, der am 28.05.2017 in Hamburg stattfindet.
fcstapauli-marathon.de/gegenrechts
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http://www.fcstpauli-marathon.de/start/?page_id=713

Am 28. Mai 2017 wird in Hamburg zum 6. Mal der Lauf gegen Rechts (LgR) stattfinden, organisiert vom 1. FC St. Pauli . Der erste LgR 2012 fand als Teil der Mobilisierung gegen den Naziaufmarsch, den sogenannten „Tag der deutsche Zukunft“ (TddZ), als Demo/Lauf rund um die Alster statt. Der TddZ konnte weitestgehend zurückgedrängt werden. In den weiteren Jahren wurde mit dem Lauf gegen Rechts ein deutliches Zeichen gesetzt, um weiter gegen den TddZ, der jedes Jahr in einer anderen Stadt stattfand, aufmerksam zu machen und aktiv dagegen zu mobilisieren.
 

Von fcstpauli-marathon.de
 

Mittlerweile hat sich die politische Situation weiter beängstigend verschlechtert. Rechtspopulisten der sogenannten Alternative für Deutschland (AfD) machen mit rassistischer Hetze mobil zusammen mit anderen faschistischen Organisationen aus den europäischen Nachbarstaaten. Der thüringische AfD Fraktionsvorsitzende Björn Höcke und andere in der AfD scheuen auch nicht davor zurück, ihr nationalsozialistisches Gedankengut öffentlich kund zu tun. Auch wenn die AfD häufig versucht sich nach außen von der NPD und der Nähe zu faschistischen Strukturen zu distanzieren, gibt es deutliche Verstrickungen mit der extremen Rechten. Zudem scheut sich die AfD nicht, offen rassistisch aufzutreten und sich wiederholt gegen Geflüchtete in der BRD auszusprechen. Eine plurale offene Gesellschaft ist ihr ein Dorn im Auge.

 

Auch der Hamburger Landesverband der AfD hat über die Jahre einen deutlichen Rechtsschwenk gemacht. In der Bürgerschaft hört man seit einem Jahr fast nur noch AfD-Beiträge von den rechten Hardlinern: Dem ehemaligen Schill-Funktionär Dirk Nockemann, dem deutsch-nationalen Alexander Wolf, dessen Burschenschaft Danubia in Teilen vom Verfassungsschutz überwacht wird und dem Landesvorsitzenden Bernd Baumann, der in seinen Reden gegen Geflüchtete agitiert. Der Abgeordnete Ludwig Flocken, ein übler Rassist, der dem thüringischen Björn Höcke in nichts nachsteht, wurde nicht vom Landesschiedsgericht der AfD von der Partei ausgeschlossen und darf weiter – wenn auch nun fraktionslos – gegen Geflüchtete u.a. hetzen. Flocken hatte in der Vergangenheit bei der NPD-nahen Bewegung MV-Gida gesprochen und versucht dort neue Potentiale zu erschließen.

 

Die AfD ist keine normale Partei, sie lebt fast ausschließlich von Ressentiments, spaltet die Gesellschaft und agitiert gegen Minderheiten. Da der Lauf gegen Rechts 2017 im Vorfeld einer Bundestagswahl steht, wollen wir dieses Jahr ein klares Zeichen gegen Faschismus, Rechtspopulismus und Rassismus in der AfD setzen. Im kommenden Wahlkampf wird es zu wiederkehrenden menschenverachtenden Äußerungen vom rechten Rand kommen. Diese dürfen nicht salonfähig werden. Es gilt dagegen zu halten und sich aktiv für eine offene Gesellschaft einzusetzen, die alle unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit oder sexueller Orientierung frei leben lässt. So halten wir es in unserem Verein und das sollte auch außerhalb des Millerntors gelten: Refugees welcome - fight fascism!!!

 

Mit dem Lauf gegen Rechts leisten wir einen Beitrag zur Finanzierung der politischen Arbeit gegen Faschismus, Rechtspopulismus und Rassismus – alle Einnahmen gehen als Spende an das HAMBURGER BÜNDNIS GEGEN RECHTS und an zahlreiche antirassistische Initiativen, die mit ihrer Arbeit verschiedene Aktivitäten veranstalten und unterstützen, um den Vormarsch der Rassisten zu stoppen.

 

Start ist am Sonntag, den 28.05.2017, um 10 Uhr auf der Grillwiese Schwanenwiek (Außenalster).

 

Mehr Informationen im Internet:

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Cottbus: Hotspot rassistischer Gewalt

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Das Milieu um die Hooligan-Gruppe „Inferno Cottbus" ist ein wesentlicher Machtfaktor für die örtliche rechte Szene.
dpa

Cottbus ist eine Hochburg rechter Gewalt. Obwohl sich die neonazistische Hooligan-Gruppe „Inferno Cottbus“ aufgelöst hat, ist eine Entspannung der Situation nicht abzusehen. Wie konnte es geschehen, dass Neonazis in Cottbus eine derartige Drohkulisse aufgebaut haben?

 

Von: Kira Ayyadi

 

Die Beratungsstelle „Opferperspektive“ hat für das Jahr 2016 221 rechte Angriffe in Brandenburg gezählt. Damit ist, wie bereits im Vorjahr (203 Vorfälle), ein weiterer trauriger Höchststand rechter Gewalt erreicht. Hauptbetroffene sind zumeist Geflüchtete oder Menschen mit Migrationshintergrund. Besonders alarmierend: Ein Drittel der Betroffenen waren 18 Jahre oder jünger.

Mit 41 Vorfällen hat die Beratungsstelle seit Beginn ihrer Zählung 2002 noch nie so viele Angriffe an einem Ort erlebt wie 2016 in Cottbus. Und auch die Aussichten für 2017 lassen nichts Gutes erahnen. Wie konnte Cottbus zu einem derartigen Hotspot rechter Gewalt werden?

 

Wer sind die Täter und warum ist gerade Cottbus so eine Hochburg rassistischer Gewalt?

Innerhalb der Szene genießen die Rechtsextremen in Cottbus den Ruf, dass sie hier, im Gegensatz zu anderen Städten, alles im Griff hätten. Joschka Fröschner von „Opferperspektive“ erklärt in einem Gespräch mit Belltower.News, dass sich hier eine Art „rechte Erlebniswelt“ etabliert hat.

Eine Machtdemonstration erlebte die brandenburgische Stadt in der Nacht zum 14 Januar 2017, als sich etwa 120 vermummte Neonazis versammelten und mit Fackeln durch Cottbus zogen. Der Aufmarsch wurde professionell vorbereitet und schnell stand fest, dass diese Drohkulisse hauptsächlich von der rechten Fußballfanszene des FC Energie Cottbus inszeniert wurde. Dieses Milieu, vor allem um die Hooligan-Gruppe „Inferno Cottbus", ist ein wesentlicher Machtfaktor für die örtliche rechte Szene.

 

„Inferno Cottbus“ hat sich freiwillige aufgelöst – friedlicher ist es allerdings nicht geworden

Im brandenburgischen Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2016 wurden „Inferno Cottbus“ und ihre Nachwuchs-Truppe „Unbequeme Jugend“ erstmals als Neonazi-Strukturen aufgeführt. Kurz nach diesem Bericht löste sich „Inferno“ nach 18-jährigem Bestehen auf - vermutlich um einem Vereinsverbot zuvorzukommen.

Ein Ende der rechten Gewalttaten aus diesem Personenkreis ist allerding nicht abzusehen. Beobachter bezweifeln, dass die Gruppe ihre Aktivität dauerhaft einstellen wird und gehen eher davon aus, dass die rechten Schläger weiterhin ihre Dominanz innerhalb der Cottbusser Fußball-Szene und darüber hinaus ausüben werden. Das ist auch ein Grund, warum Joschka Fröschner befürchtet, dass die Zahlen rassistisch motivierter Angriffe in diesem Jahr ähnlich hoch bleiben werden wie schon 2016.

 

Rassistische Gewalt aus der Fußballszene

„Der Repressions-Druck innerhalb von Neonazi-Strukturen ist deutlich höher als in der Fußball- und Hooligan-Szene“, so Fröschner, „die Strukturen sind nicht so bindend wie in klassischen Neonazi-Kreisen. Die stärkste Konstante ist hier einfach der Fußball.“ Was jedoch ein einfaches und niederschwelliges Rekrutierungsfeld für die Rechtsextremen darstellt.

Fröschner berichtet darüber, dass die Personen um „Inferno“ innerhalb der Cottbusser Fanszene, aber auch darüber hinaus, eine rechte Bedrohungskulisse aufgebaut haben: „Es geht ihnen darum zu kontrollieren, was in der Stadt passiert.“ Generell sei die rechtsextreme Szene in Cottbus „unglaublich gewaltbereit und gewalterfahren“.

 

Weitere Akteure in der rechten Szene von Cottbus

Allerdings sind nicht nur „Inferno Cottbus“ und „Unbequeme Jugend“ Katalysatoren rassistischer Gewalt. Auch parteiferne Gruppen wie beispielsweise „Zukunft Heimat“, sind wichtige Akteure in dem rechten Cottbusser Milieu in dem sich neben Neonazis auch Rocker, Mitglieder der „Identitären Bewegung“,  Sicherheitsfirmen, Rechtsrock-Musiker (bsp.: „Frontalkraft“, „Hausmannskost“), rechte Mode- und Musiklabels (bsp.: „Rebel Records“) und Kampfsportler (bsp.: vom Kampfsport-Label „Black Legion“) tummeln. Aber auch Parteien wie die NPD und die AfD befeuern die aufgeheizte Stimmung gegen Geflüchtete und Menschen mit realem oder zugeschriebenem Migrationshintergrund.

 

Neonazis haben in Cottbus ein Klima der Angst geschaffen

All das trägt dazu bei, dass Migrant_innen sich in Cottbus nicht mehr angstfrei bewegen können, berichtet Joschka Fröschner. Dabei seien besonders Angriffe unterhalb der Gewaltschwelle, wie Beleidigungen und Provokationen, mittlerweile leider alltäglich.

Allerdings sind nicht nur Migrant_innnen der Gewalt der Rechtsextremen in Cottbus ausgesetzt, sondern auch linke Aktivist_innen. Auch für sie gibt es bestimmt Orte in der Stadt, die sie meiden, da es hier zu gefährlich für sie wäre.

 

Engagement gegen rechts  

Allerdings gibt es in Cottbus auch zahlreiche engagierte Menschen, die dem braunen Spuk etwas entgegen bringen und auch Erfolge feiern. In vielen ländlichen und strukturschwachen Regionen Brandenburgs sieht das ganz anders aus. Eben weil es eine Gegenbewegung in Cottbus gibt, die den Machtanspruch der Neonazis in Frage stellt, agieren die Rechten gegen politische Gegner_innen besonders brutal. „Nazis haben zwar eine Sanktionsmacht in Cottbus, eine Deutungshoheit haben sie allerdings nicht.“

 

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Rechtsextreme Hooligans: Professionalisierung der Gewalt im Kampfsport

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Flickr / Hanna Eliasson / CC BY-NC-ND 2.0
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Seit den 80er Jahren sind gewaltbereite, rechtsextreme Hooligans für Fußballvereine ein Problem. Immer wieder kam es in Stadien oder am Rande von Fußballspielen zu Gewaltausbrüchen. Heute begeistert sich diese Szene zunehmend für Mixed Martial Arts und Kampfsport-Events die sie zum Vernetzen und zur Verbreitung ihrer menschenfeindlichen Ideologie nutzen. Ein Interview mit Szenekenner und Autor Robert Claus über vegane Kampfsport-Nazis, die Professionalisierung der Gewalt und die internationale Vernetzung.     

 

Interview von Kira Ayyadi

 

Belltower.News: Ist die Beobachtung richtig, dass sich Hooligan-Gruppen immer weiter vom Fußball wegentwickeln?
Robert Claus: Nach wie vor sind gewaltbereite Hooligans auch in Stadien sichtbar, wenngleich sie nur einen kleinen Bruchteil der Besucher ausmachen. Allerdings sind zunehmend Gruppen zu beobachten, die sich vom Fußball wegentwickelt haben. Die tragen beispielsweise gar nicht mehr die Farben ihres Vereins sondern eher Wappen und Farben ihrer Stadt. Ein Beispiel ist die Gruppe “Northside” aus Dortmund, die zuweilen in roten Shirts auftreten und nicht mehr in den klassischen Farben des BVBs.

Inwieweit besteht dann denn noch ein Bezug zum Fußball?
Fußball ist in deren Geschichte verankert und ein Teil der Leute kommt aus einer gewaltbereiten Fan-Szene, die sich zu einer Hooligan-Truppe entwickelt hat. Historisch gesehen ist noch ein Fußball-Bezug da. Allerdings ist es bundesweit uneinheitlich: Mancherorts sind sie im Stadion noch sehr präsent. An anderen Orten verabreden sie sich vielmehr mit anderen Gruppen zu Ackermatches.

Was sind Ackermatches?
Der Begriff des Ackermatches beschreibt, dass sich zwei Hooligan-Gruppen konspirativ zu einer Art Gruppen-Kampfsport an einem abgelegenen Ort – einem Acker oder auf einer Feldwiese -  treffen.

Sind Hooligan-Gruppen per se rechts?
Nein, nicht unbedingt. Viele tendieren nach rechts, aber nicht alle. Es gibt auch Hooligans aus dem Umfeld von Babelsberg oder Werder Bremen, die sich eher links sehen. Diese Gruppen sind aber viel kleiner und werden deswegen kaum wahrgenommen.  Dennoch sind sie Teil der Szene. Der gemeinsame Nenner ist Gewalt und Kampfsport. In Deutschland gibt es keine legale Form des Gruppenkampfsportes. Das heißt, dass die Hooligans auf ihren Ackermatches eine illegalisierte Sportkultur ausüben, die selbstorganisiert stattfindet. Denn der Bundesgerichtshof hat Hooligangruppen 2015 zu kriminellen Vereinigungen erklärt, da ihr Ziel in der organisierten Ausübung gemeinschaftlicher Körperverletzung bestünde.

Hooligans treffen sich aber nicht nur zu geheimen Ackermatches, sondern auch zu offiziellen Kampfsport-Events, richtig?
Ja, allerdings. Kampfsport hat sich in den letzten Jahren deutlich professionalisiert, das geht einher mit einem gesamtgesellschaftlichen Fitnessboom. Dabei ist die Kampfsport-Szene in Deutschland recht unübersichtlich. Wenn wir über Rechtsextremismus sprechen, würde ich in dieser Landschaft zwischen drei Haltungen unterscheiden. Erstens, gibt es Veranstalter, die ich eher im popkulturellen Feld einordnen würde. Die haben keine Lust auf rechte Hooligans und Islamisten. Zweitens gibt es eine Grauzone und drittens gibt es ganz klare rechte Veranstaltungen.

Islamisten im Kampfsport? Woran erkennt man die?
Jeder Kämpfer kommt ja mit einer Einlaufmusik in den Ring. Die meisten haben Pop- oder Rockmusik, wenige laufen mit politischer Musik ein. Es gab auch schon Kämpfer die zu „Landser“ eingelaufen sind oder zu Dschihad-verherrlichender Musik.

Was zeichnet diese Grauzonen-Veranstaltungen aus?
Die Veranstalter kommen meist aus gewaltaffinen Milieus oder Jugendbanden. Zwar sind sie selbst keine Nazis, jedoch haben sie viel zu wenige Berührungsängste mit der rechten Szene. Hier stehen dann rechte Hooligans immer mal wieder im Ring bzw. Käfig.

Und welche Veranstaltungen ordnest du dem klar rechten Milieu zu?
Es gibt Eventveranstalter, die selber klar aus der rechten Hooligan-Szene stammen. Da fällt besonders die „Imperium Fighting Championship“ aus Leipzig ein.Der Gründer war jahrelang führendes Mitglied bei der bundesweit berühmt-berüchtigten Hooligan-Truppe „Scenario Lok“, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wurde. Sie hat sich 2014 offiziell aufgelöst. Doch die Netzwerke funktionieren ja weiterhin. Auch „Kampf der Nibelungen“ (KdN) fällt in diese Kategorie, doch er ist eine Sonderform, da er noch geheim beworben wird. Der „Kampf der Nibelungen“ wird von Dortmunder Neonazis und  „Hammerskins“ organisiert und ist ganz klar rechtsextrem positioniert. Diese jährliche Veranstaltung hat sich zu einem Szenekult-Event gemausert, mit dieses Jahr rund 600 Besuchern.

Wie hat „Kampf der Nibelungen“ es geschafft, solche Strahlkraft zu entwickeln?
Ich glaube da spielen verschiedene Dinge eine Rolle. Zum einen gibt es generell ein gesteigertes Interesse an Kampfsport, zweitens hat sich diese Veranstaltung selber professionalisiert und drittens ist auch die internationale Vernetzung gewachsen. So sind beim letzten Kampf im Oktober Gäste aus ganz Europa angereist. Gut möglich, dass der KdN in den kommenden Jahren offiziell werden will, zumal man sich die Rechte an der Marke diesen Sommer hat sichern lassen. Angesichts der ganzen Verbote oder zumindest staatlicher Einschnitte in die Neonazi-Szene, bekommen solche Szene-Events einen größeren Stellenwert. Das sehen wir ja auch an den Neonazi-Konzerten in Themar, mit zum Teil 6.000 rechtsextremen Besuchern.

In Themar trat ja auch „White Rex“-Chef Denis Nikitin aus Moskau als Redner auf.
Ja, „Kampf der Nibelungen“ und die Konzerte in Themar haben da eine große Gemeinsamkeit. Und Nikitin ist eine zentrale Schlüsselfigur der extrem rechten Hooliganszene in Europa, international bestens vernetzt. Nicht nur er nutzt solche szenekulturellen Events für sein Business. Dort kommen Neonazis bei ihren Hobbys, Kampfsport oder Musik, mit ideologisch Gleichgesinnten zusammen und schaffen sich so eine völkische Erlebniswelt.

Wahlaufruf für die AfD auf der Facebookseite von "Imperium Fighting Championship". (Screenshot)

 

In Ihrem Buch schreiben Sie, dass sich beim KdN wegen der russischen Gäste vegane Speisen etabliert haben. Sind das dann vegane Kampfsport-Neonazis?
Kann man so sagen. Die Russen haben die Straight Edge-Lebenswelt in die Veranstaltung gebracht. Dazu vielleicht ein kurzer Schwenk in die russische Hooligan-Szene: Die ist sehr professionell aufgestellt und ausschließlich rechts bis rechtsextrem. Die „Kampfsportisierung“ hat hier eher begonnen als in Deutschland. Nikitin hat mit seinem Label „White Rex“ seit 2008 Kampfsport-Serien aufgebaut, mit dem er ein faschistisches Reinheitsideal von Körpern vertritt. Diese Straight Edge-Lebensweise etabliert sich auch in Deutschland immer mehr. Aus dem Dunstkreis vom „Kampf der Nibelungen“ ist in diesem Jahr beispielsweise die Straight-Edge Untermarke „Wardon“ entstanden, das Straight Edge-Label der Nazis im Kampfsport-Bereich. Auch diese Entwicklung zeugt von einer Professionalisierung von Kampfsportlern mit völkischer Ideologie, die selbst in die Ernährung hinein reicht.

Ihr aktuelles Buch trägt den Titel  “Hooligans - Eine Welt zwischen Fußball, Gewalt und Politik”. Was haben rechtsextreme Hooligans mit Politik zu tun?
Das lässt sich gut an einem Beispiel zeigen: „Imperium“ hat einige Wochen vor der Bundestagswahl mehrere AfD-Wahlaufrufe auf ihren Kanälen gepostet. An solchen Aktionen sieht man, dass rechte Hooligans ideologisch der AfD nahestehen.  

Wie schätzt du die Gefahr ein, die von dieser Szene ausgeht?
Die Gefahr ist enorm groß. Wir wissen ja, dass die Leute, die auf solche Events gehen, nicht nur dort ihre Gewalt ausüben. Viele sind auch in kameradschaftlichen Strukturen organisiert und überfallen politische Gegner. Somit professionalisiert sich die Gewalt generell. Ein bekanntes Beispiel ist der Überfall im Leipziger Stadtteil Connewitz im Januar 2016 zum einjährigen von Legida. Rund 250 Neonazis zogen damals durch den Stadtteil und randalierten. In dieser durchmischten Neonazi-Truppe waren Beobachtern zu Folge und laut der "LIZ" auch mehrere Kämpfer von „Imperium“ aus Leipzig dabei, unter anderem Timo Feucht, der in diesem Jahr einen Titelkampf in Brasilien hatte. Das ist ein Beispiel dafür, dass die professionalisierte Gewalt nicht mehr nur im Ring stattfindet, sondern auch als politische Gewalt auf die Straße getragen wird.

Robert Claus, "Hooligans - Eine Welt zwischen Fußball, Gewalt und Politik", Die Werkstatt; 192 Seiten; 14,90 Euro

Titelfoto oben: Flickr Hanna Eliasson / CC BY-NC-ND 2.0

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Leipziger Fußball: Bei Lok nur rechts außen? - Teil 1

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Deutsche Hooligans 2006 bei einem EM-Qualifikationsspiel der deutschen Nationalmannschaft in Bratislava. Unter ihnen auch einige Hooligans von Lokomotive Leipzig.
dpa
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„Wir sind die Krieger - wir sind die Fans - Lokomotive Hooligans“ - dieser Sprechchor ist in der Vergangenheit des Öfteren bei Spielen des 1. FC Lokomotive Leipzig zu hören gewesen. Der Ruf des Vereins ist schon seit Jahren beschädigt, da sich im Umfeld des Vereins immer wieder bekennende Rechtsextreme umtreiben. Der Sport wird oftmals vom Geschehen abseits des Rasens überschattet. Teil 1 einer Serie über Fußball, Hooligans und Fankultur in Leipzig. 

Von Christian Freitag

In den 1970er und 1980er Jahren zählte der 1. FC Lokomotive Leipzig  zu den erfolgreichsten Vereinen der DDR-Oberliga und mit insgesamt 77 Europapokalspielen zu den bekanntesten DDR-Fußballclubs in Europa. Aber die Bestandsaufnahme ist eine ganz andere - ein ausverkauftes Stadion und Spiele gegen europäische Spitzenmannschaften sind längst Vergangenheit. Der „inoffizielle“ Nachfolgeverein des „ersten deutschen Fußballmeisters“, VFB Leipzig, spielt mittlerweile in der Regionalliga Nordost. Heute heißen die Gegner nicht mehr FC Barcelona, AC Mailand oder Ajax Amsterdam, sondern FSV Budissa Bautzen, ZFC Meuselwitz oder Wacker Nordhausen. Der Leipziger Traditionsverein ist nach mehreren Insolvenzverfahren und dem Abrutschen in die sportliche Bedeutungslosigkeit wieder auf dem Weg der Konsolidierung.

Der Verein hatte aber die letzten Jahre nicht nur sportliche Probleme, sondern hatte immer wieder  mit den Verfehlungen vieler seiner Anhänger_innen zu kämpfen. Denn rund um den Verein bildeten sich neonazistisch ausgerichtete Gruppierungen, die den Verein als Bühne missbrauchten, um ihre politischen Ansichten zu verbreiten und ihre Leidenschaft für Gewalt auszuleben. Das Problem starker und gewaltsam auftretender rechter Fans beim 1. FC Lokomotive Leipzig ist seit Jahren hinlänglich bekannt und wurde in unregelmäßigen Abständen durch Aktionen, Spruchbänder, Zaunfahnen und Übergriffe bestätigt.

 

Fußballstandort Leipzig

Der 1. FC Lok Leipzig kommt aus dem Stadtteil Probstheida, trägt die Farben blau-gelb und war zu DDR-Zeiten der Verein der Parteibonzen. Sein traditioneller lokaler Gegenpart ist der Verein FC Sachsen aus dem Stadtteil Leutzsch, ein Arbeiterverein in grün-weiß, bekannt auch unter dem Namen BSG Chemie.Mittlerweile ist neben den zwei Traditionsmannschaften der Stadt ein dritter „großer“ Verein in Leipzig beheimatet. Der aktuelle Vize-Meister der höchsten deutschen Spielklasse ist zugleich der sportlich erfolgreichste der drei genannten Vereine. Das Konstrukt wurde erst 2009 auf Initiative der Red Bull GmbH gegründet. RB Leipzig ist vielleicht auf sportlicher Ebene der „attraktivste“ Verein der Stadt, doch die Traditionsvereine Chemie und Lok Leipzig sind für viele Leipziger_innen weiterhin eine Herzensangelegenheit und für diese aus dem Stadtbild nicht wegzudenken.

 

Neustart der Traditionsvereine

Der legitime Nachfolger der in der DDR bestehenden BSG Chemie Leipzig spielt mittlerweile wieder in der Regionalliga Nordost. Die „neue“ BSG Chemie Leipzig wurde am 16. Juli 1997 von Anhänger_innen des FC Sachsen Leipzig als Ballsportfördergemeinschaft Chemie Leipzig zum Schutz des Namens und der Marke „BSG Chemie Leipzig“ sowie zur Förderung des FC Sachsen Leipzig gegründet. 2008 nahm der Verein erstmals mit einer Herren-Fußballmannschaft in der 3. Kreisklasse am Spielbetrieb des DFB teil.  

Ähnlich verlief die Geschichte auch für Lok, das sich nach der Wende VfB Leipzig nannte. Mittlerweile hat der Verein zwei Insolvenzen hinter sich, wobei die zweite Insolvenz den Verein besonders schlimm traf und 2004 zur Auflösung führte. Doch einige Fans, darunter der damalige Fanbeauftragte des VfB Leipzig sowie bekennende Ex-Hooligan Steffen Kubald hauchten dem einstigen Europapokalfinalsten und viermaligen DDR-Meister neues Leben ein (bereits Ende 2003). Die „Loksche“ startete – wie später auch der Lokalrivale - in der untersten Liga, der Elften Liga (3. Kreisklasse Leipzig). (Vgl. Geschichte 1. FC Lokomotive Leipzig) Während die Nachwuchsmannschaften des VfB und die Frauenmannschaften in ihren Spielklassen verbleiben konnten, musste die Männermannschaft ihren Spielbetrieb in der niedrigsten Liga aufnehmen. Doch Lokomotive Leipzig stieg – auch aufgrund einer Fusion zweier Bezirksklassen-Vertreter und dem frei gewordenen Platz in der höheren Spielklasse – im Schnellzugtempo zurück in die Oberliga auf. Sportlich etablierte sich zwar der Club in der NOFV-Oberliga Süd, konnte den gleichsam selbst gestellten höheren Erwartungen und Ansprüchen aber nicht gerecht werden. Sportlich wie strukturell stagnierten die Blau-Gelben zusehends.

 

Das Problem mit dem Image

Fußball und Nazi-Szene gehören in der Region Leipzig schon seit langem zusammen. Das hat aber nicht immer nur mit dem 1. FC Lokomotive zu tun. „Zyklon B dem BFC“-Gesänge konnte man bereits bei Spielen der beiden Leipziger Vereine zu DDR-Zeiten hören. „Aber während Hass-Parolen gegen den als Stasi-Club verpönten Berliner Verein BFC Dynamo damals vielleicht noch als Regimekritik interpretiert werden konnten, outeten sich Nazis nach der Wende im Stadion immer offener“, schreibt Arthur Leone. Während sich die Rechten innerhalb der Lok-Fanszene etablieren konnten, entwickelte sich beim Stadtrivalen FC Sachsen Leipzig bzw. Chemie Leipzig* mit einer linkspolitischen Ultraszene ein Gegenpart. (vgl. Jungle World)

*Die Vereine FC Sachsen Leipzig und BSG Chemie Leipzig werden im weiteren Verlauf  der Einfachheit halber synonym verwendet.

 

Brauner Gründer, braunes Image

Das Lokomotive Leipzig seit dem Neustart dieses Image anlastete, lag nicht nur daran, dass mit Nils Larisch ein Neonazi am Tisch der Gründer saß, der auch noch lange Zeit den Fanartikelverkauf organisierte. Bereits das Stadtderby 2002 zwischen FC Sachsen gegen VfB Leipzig demonstrierte, dass sich einige Rechtsextreme unter den Fans des VfB über Jahre hinweg eingenistet hatten. So entrollten sie beispielsweise ein Banner mit der Aufschrift „Rudolf Heß—Bei LOK rechts außen" oder auch „Wir sind Lokisten – Mörder und Faschisten“. Die Vorzeichen bei der (Neu)gründung des Vereins waren somit klar. Der Neustart führte dazu, dass sich auch die Fangruppierungen neu positionieren konnten. Dass der Verein in der sportlichen Belanglosigkeit verschwand, bedeutete aber auch zugleich politische Entfaltung sowie Rekrutierung fernab der breiten Öffentlichkeit. (vgl. taz)

 

Spruchbänder der Gästefans im Derby: "Rudol Heß - Bei Lok rechts außen" oder auch "Wir sind Lokisten, Mörder und Faschisten". Quelle: Screenshot YouTube
 

Langjährige Ignoranz, aber auch Sympathien für die Nazis

Die Fanszene konnte sich in den Anfangsjahren ungestört radikalisieren. Die Rechten schafften es, sich im und außerhalb des Bruno-Plache-Stadions zu etablieren und auszubreiten. Der Verein hat das Problem von Rechts meist ignoriert und auf das “Prinzip Hoffnung” gesetzt. Mitte der 90er Jahre kam die Ultrabewegung nach Deutschland. Auch in Leipzig entstanden Anfang der 2000er mit dem „Scenario Lok“ sowie Ultras Lok Leipzig, Blue Side und zuletzt den Blue Caps vermeintliche Ultra-Gruppen (vgl. chronik.LE). Im Laufe der Zeit zeigte der Einfluss älterer Neonazis und „Nazi-Hools“ bei Scenario, Ultras Lok Leipzig und Blue Caps Wirkung. Während die Mitglieder der Blue Side sich mehr auf die „Ultra-typischen-Werte“ konzentrierten, „verlegten sich Scenario, die Ultras Lok Leipzig und die Blue Caps zunehmend auf hooligantypische körperliche Auseinandersetzungen abseits des Stadions. Dieses "Selbstverständnis" hat sich bis heute gehalten“. (Artikel auf Belltower.News: Sind Ultras Rechtsextrem?) Die Beziehungen zur lokalen NPD wurden zeitgleich verfestigt und gemäßigtere Fangruppierungen aus den Zuschauerrängen gedrängt. Enrico Böhm, Mitglied der Blue Caps LE und später Vertreter der Leipziger NPD im Stadtrat, leitete zusammen mit Gründungsmitglied Nils Larisch das NPD-Zentrum in der Leipziger Odermannstraße.

Die Nazis wurden aber lange Zeit vom Verein nicht als Problem angesehen und so wurde auch nicht gegen sie vorgegangen. Ob es fehlendes Problembewusstsein war oder zu große Angst davor, auf Einnahmen zu verzichten - der Verein erschien so handlungsunfähig und –willig. In der Konsequenz rissen die Skandale nicht ab, die Lok im Zusammenhang mit Nazi-Überfällen und Propaganda-Aktionen in die Presse brachten. Beispielsweise formten 2006 rund 30 Lok-Anhänger_innen bei einem A-Jugend-Spiel gegen Chemie Leipzig ein menschliches Hakenkreuz auf der Tribüne. Der Ex-Hooligan und damaliger 1. Vorsitzender des Vereins Steffen Kubald wiegelte die Aktion in einem Interview ab: „Die wollten das Präsidium ärgern. Und nur mit viel Fantasie ist da ein Hakenkreuz zu erkennen.“ Erst ziemlich spät und auf öffentlichen Druck hin sah der Club ein, wie sehr der Ruf, ein Nazi-Verein zu sein, ihm schadete. (vgl. FAZJungle World)

 

Beim einem A-Jugend Spiel formen rund 30 Lok-Anhänger_innen ein menschliches Hakenkreuz. Quelle: Screenshot YouTube

 

Blue Caps LE und Scenario Lok

Im Zusammenhang mit den Skandalen standen vor allem die Fangruppierungen Blue Caps LE und Scenario Lok (SL). Die Blue Caps wurden vor allem durch Enrico Böhm angeleitet und „warben für Aufmärsche der Nazi-Gruppierung „Freies Netz“, traten als Saalschutz für NPD-Veranstaltungen auf und einige ihrer Mitglieder sitzen wegen diverser Körperverletzungsdelikte gegen Chemie-Fans, Linke oder Polizisten im Gefängnis“ (Jungle World 37/2008 / chronik LE). Trotz der offensichtlichen neonazistischen Schnittmengen zu NPD und Jungen Nationaldemokraten gingen die Gruppierungen im damaligen Fanprojekt ein und aus. Ein Foto zeigt Gruppenmitglieder mit einer „Ultras Lok“-Zaunfahne vor dem Fanprojekt, in den Farben schwarz-weiß-rot, mit dem Namen sowie dem Schriftzug „Nationaler Widerstand“.

2007 wurden nach antisemitischen Sprechchören und schweren Ausschreitungen bei einem Pokalspiel gegen die Zweitvertretung von Erzgebirge Aue schließlich die überregionalen Medien auf das Problem aufmerksam (vgl. YouTube). Rechtsextreme Anhänger jagten Polizist_innen durch die Straßen, demolierten 21 Einsatzwagen, verletzten 39 Polizist_innen und verursachten einen Sachschaden von ungefähr 70.000€. Im Dezember desselben Jahres überfielen Lok-Hooligans die Weihnachtsfeier der antirassistischen Ultra-Gruppe „Diablos Leutsch“ von Chemie Leipzig. 40-50 Vermummte stürmten die Kneipe „Sachsenstube“ und „hielten dem Thekenpersonal und einzelnen Gästen Gaspistolen an die Schläfe“. (vgl. SpiegelFocus)

 

 

10 Jahre später wird der Überfall auf die Weinachtsfeier der antirassistischen Ultra-Gruppe "Diablos" von Facebook Nutzer_innen als "schöner Tag" bezeichnet. Quelle: Screenshot Facebook

 

Mit der Zeit rückten die Fangruppierungen „aufgrund rechtsextremistischer Tendenzen“ in den Fokus des Verfassungsschutzes (vgl. Leipziger Volkszeitung). Der öffentliche Druck zwang den Verein zum Handeln. Dem Vorstand gefielen die politischen Aktivitäten von Nils Larisch nun nicht mehr. Also warf man ihn kurzerhand hinaus und erteilte ihm ein Stadionverbot. Doch die Gruppen Blue Caps und Scenario bestanden weiterhin als Sammelbecken für gewaltbereite männliche Jugendliche, deren rechtsradikale Überzeugung dort weiter verfestigt wurde. Die Gruppe Blue Caps LE wurde erst 2008 aus dem Fanprojekt und dem Stadion ausgeschlossen – zu eindeutig waren die Schnittmengen zu den Jungen Nationalisten und der NPD geworden. Durch den Ausschluss aus dem Fanprojekt und den Hausverboten für das Stadion waren die Gruppierungen für das erste in ihrem Tun stark eingeschränkt.

 
 
 
 

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Leipziger Fußball: Bei Lok nur rechts außen? - Teil 2

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Hausverbote für viele "Scenario Lok"-Zugehörige. Solidaritätsbekundungen der Ultra-Gruppierung "Gauner Lok" mit den "willkürlich" Ausgesperrten.
Screenshot Facebook

Dem Verein Lok Leipzig lag nachvollziehbar viel daran, nicht mehr negativ ins Licht der Öffentlichkeit gerückt zu werden. Ermittlungen wegen Hakenkreuzchoreografien auf den Zuschauerrängen, offensichtliche neonazistische Schnittmengen zu NPD und Junge Nationaldemokraten sowie ein Exhooligan als Vereinspräsident. Der öffentliche Druck zwang die Verantwortlichen von Lokomotive Leipzig zum Handeln. Teil 2 einer Serie über Fußball, Hooligans und Fankultur in Leipzig.

 

Von Christian Freitag

 

Teil 1: Leipziger Fußball: Bei Lok nur rechts außen?

 

Der Ausschluss der Rechten Blue Caps LE machte sich in der Folge auch im und um das Stadion bemerkbar. Der Verein stellte sich als aktiver Kämpfer gegen Neonazismus im Stadion dar. Die verbliebene Ultra-Gruppierung Blue Side konnte mehr oder weniger unbehelligt agieren, es gab Aktionen zum UEFA-Antirassismus-Tag und der Verein blieb von weiteren Skandalen weitgehend verschont. Dem Verein Lok Leipzig, der damals auf öffentlichen Druck hin Neonazis ausgeschlossen hat, lag viel daran, das Image des bereinigten Vereins zu propagieren. Aber viel mehr scheint hinter dem Kampf gegen Nazis im Stadion allerdings auch damals nicht gesteckt zu haben.

 

Mit dem „Trauermarsch“ zurück ins Stadion

Denn im Hintergrund veränderten sich die Strukturen nur marginal. 2011 verbreiteten Blue Caps und Scenario den Aufruf zu einem „Trauermarsch“ vom Völkerschlachtdenkmal zum Bruno-Plache-Stadion. Anlass war der Tod eines Mitglieds aus den Reihen des Scenarios Lok bei einem Verkehrsunfall. „Und alle kamen sie damals rein, obwohl die Stadionverbote noch nicht ausgelaufen waren.“ Die Schuld schoben sich die Beteiligten im Nachgang gegenseitig zu.  

Die neuen alten Handlungsspielräume nutzend, untermauerte die Gruppe ihren „Führungsanspruch“ der Fankurve. Kurzerhand hat man die Blue Side Lok gewaltsam aufgelöst – „im Interesse der Fanszene“. Blue Side hatte zwar in der Abwesenheit der anderen Gruppen Sympathien in der Fanszene erwerben können, aber der Brutalität wollten oder konnten sie sich nicht entgegensetzen. Keine Stimmung mehr im Stadion und „die damals bereits sinkenden Zuschauer_innen-Zahlen erreichten neue Rekord-Tiefststände, trotz sportlichem Erfolg und Aufstieg.“

 

Braunes Szenario  

So war es nur eine Frage der Zeit, bis die neuen alten Akteure auch wieder abseits des Stadions für Aufsehen sorgten – und das vermeintliche Image des bereinigten Vereins demaskierten. Während einer Sommerparty im August 2012 in der NPD-Zentrale sorgten die Anhänger_Innen erneut für Schlagzeilen. In dem Objekt in der Odermannstraße feierten Gäste „mit Lagerfeuer, lauter Musik und Gegröhle. Wenig später waren laute "Sieg Heil"-Sprechchöre zu vernehmen sowie Solidaritätsbekundungen mit dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU).“ Im benachbarten „Kunstverein D 21“ fand ebenfalls ein Sommerfest statt, was die Nazis wohl offensichtlich gestört haben muss. So verließen einige die eigene Party und statteten dem Kunstverein kurzerhand einen „Besuch“ ab. Zuerst wurden die Gäste des Festes verbal bedroht, während zwischenzeitlich weitere Rechtsextremeeintrafen. Die Polizei verhinderte an diesem Abend mehr, wobei vier Beamt_innen durch Attacken mit Pflastersteinen verletzt wurden. Mehrere Angreifer trugen das Scenario-Motto-Shirt mit der Aufschrift „Leipziger Tradition“.  Auf der Rückseite prangt das patriotisch-nationalistische, aus der Kaiserzeit stammende Motto: „Enkel mögen kraftvoll walten, schwer Errungnes zu erhalten“. Erstehen konnte man das T-Shirt aber erst eine Woche später – am Verkaufsstand von Scenario beim Lok-Heimspiel. (vgl. chronik LE)

Eine weitere Woche später nahmen rund 2.000 Lok-Fans im Vorfeld der Begegnung gegen RB Leipzig an einem organisierten Fanmarsch von Scenario teil, die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer_innen trug dabei das "Leipziger-Traditions-T-Shirt“ vom Scenario. Selbst die Leipziger Volkszeitung wies im Vorfeld darauf hin, dass die Organisatoren als "Lok-Problemanhänger aus dem rechten Spektrum" gelten. Steffen Kubald ließ verlauten, dass der  "Umzug nichts mit dem Verein zu tun" habe. Das auch bei den Bedrohungs- und Übergriffsaktionen in der Odermannstraße aufgetauchte Scenario-Motto-Shirt wurde während des Derbys nicht nur von großen Teilen des Fanmarsches getragen, sondern auch von Spielern und Betreuer_innen des Vereins selbst. Im Stadion hing zudem ein großes Transparent mit dem Vereinslogo und darunter stand die Formel „Ehre und Stolz“, eine Formel nationalistischer, reaktionärer Bewegungen und beliebtes Motiv auf Nazi-Bekleidung. (Belltower Newschronik LE)

 

Geschichte geschrieben: Der Verein ist sich 2013 noch sicher, niemals Stolz und Ehre verloren zu haben. Quelle: Screenshot Facebook

 

Wurde bei den Blue Caps noch auf öffentlichen Druck hin reagiert, verweigerte der Verein zu Fragen bezüglich SL jeglichen Kommentar. Die Kooperation mit dem sozialpädagogischen Fanprojekt wurde abgelehnt und Kommunikationsversuche und Verabredungen seitens des Vereins ausgesessen. „Die Vereinsführung rund um Kubald verhinderte eine offene Problemanalyse der Lok-Fanszene und das Tätigwerden des neuen Fanprojekts, das explizit im Sinne einer demokratischen, toleranten Fankultur arbeitet.“ Um den eigenen Unwillen zu kaschieren, warf man dem neuen Fanprojekt-Träger Unfähigkeit vor, Zugang zu den Anhänger_innen zu finden. Mit dieser Tatsachenverdrehung beantragte Lok im Herbst 2012 beim Innenministerium die Finanzierung eines eigenen Fanprojektes, was glücklicherweise abgelehnt wurde. Der vorherige Träger "Sportjugend e.V." habe dem Verein 1. FC LOK Leipzig sehr nah gestanden.

 

Ein neuer Höhepunkt und Paradigmenwechsel des Vereins

Doch irgendwann musste die Realität die Verantwortlichen auch wieder einholen. Beim Auswärtsspiel in Babelsberg kam es zu Ausschreitungen zwischen den eher links-orientierten Anhänger_innen des SV Babelsberg und einer Gruppe befreundeter Hooligans von Lokomotive Leipzig, BFC Dynamo Berlin und dem Halleschen FC. In und um das Stadion kam es zu teils chaotischen Zuständen. Bereits vor dem Spiel spitzte sich die Situation zu. Beide Seiten bewarfen mit teils gefährlichen Gegenständen. Die Stimmung schaukelte sich hoch. Im Leipziger Block brüllten sie "Wir sind die Krieger, wir sind die Fans, Lokomotive ‒ Hooligans". Die Babelsberger riefen immer wieder "Nazis raus". Während des Spiels selbst brüllte eine recht große Gruppe im Lok-Fanblock unter anderem „Ha Ha Antifa!, Bambule, Randale, Rechtsradikale!/ Nie wieder Israel!/ Arbeit macht frei, Babelsberg 03!/ Zick zack Zigeunerpack!/ Wir sind Lokisten, Mörder und Faschisten./ Antifa, Hurensöhne!“. Auch das sogennante U-Bahn-Lied wurde gesungen. Von den anderen über 700 Lok-Anhänger_innen oder etwa der Vereinsspitze folgte keine Intervention. In der 67. Spielminute eskalierte die Situation und das Spiel musste sogar unterbrochen werden. (vgl. Juliane NagelMärkische Allgemeine

 

Im Fanblock von Lok Leipzig fanden sich laut Gamma.noblogs wieder einige bekannte Neonazis, wie Oliver Oelzke aus Berlin (streckt den rechten Arm). Quelle: Presseservice Rathenow.
(Belltower Artikel: Scenario Lok legt sein Label ad acta)

 

Kurz darauf fand die überregionale Demonstration „Hooligans gegen Salafisten“ in Köln statt, zu der eine größere Gruppe Hooligans aus Leipzig, Halle und Erfurt gemeinsam anreiste.  (Mehr Informationen zu HoGeSa: Factsheet und Zeitleiste) Im Zuge dessen veränderte sich die Zusammenarbeit zwischen dem Fanprojekt und Verein – um gemeinsam Umgangsweisen mit den Fans zu finden. Die finanzielle Konsolidierung des Vereins stand auf dem Spiel. Abspringende Sponsoren durch weitere Skandale konnte sich der Verein dementsprechend nicht erlauben. Ein Zeichen, was seit der Neugründung längst überfällig war, aber auch mit Leben gefüllt werden musste. Der neu-gewählte Vorstand reagierte auf den Image-Schaden mit einem Eintritts- und Auftrittsverbot für Scenario im eigenen Stadion. Zudem sprachen sie einige Hausverbote aus und führten einen Verhaltenskodex ein. Ein Jahr später wurde der Ausschluss verlängert.

 

Auszug aus dem Leitbild vom 1. FC Lokomotive Leipzig:

„Wir nehmen unsere soziale Verantwortung wahr. Wir stehen für ein familiäres Umfeld und sind ein sympathischer Club zum Anfassen. Wir vermitteln Werte wie Loyalität, Respekt, Fairness und Toleranz. Wir üben Solidarität mit in Not geratenen Menschen und zeigen uns hilfsbereit gegenüber Benachteiligten. Wir treten aktiv und konsequent gegen jede Form von Diskriminierung auf.“ 

 

Auf den teils unbefristeten Ausschluss reagierten die Scenario Mitglieder mit Drohungen und Gewalt – gegen den eigenen Club. Es häuften sich Sachbeschädigungen auf dem Vereinsgelände wie aufgeschlitzte Autoreifen. Bei einem der Vorfälle hinterließen die Täter_innen den Spruch „Scenario, wir lassen uns nicht verbieten“. Die Urheberschaft dieser Ausfälle werden dem Scenario zugeschrieben, was deren Standing in der Fanschaft nicht gerade verbesserte. So gab SL im Oktober 2014 seine Auflösung bekannt. In ihrer Auflösungserklärung schrieben sie: “Uns wurden Sachen zur Last gelegt, ohne wirkliche Beweise! Es wurden Unterstellungen gemacht, ohne wirklich zu argumentieren und diese zu hinterlegen.“ Die zeitliche Nähe zwischen Zerstörungs- und Bedrohungsaktionen sowie die hinterlassenen Spuren werden von der vom Verfassungsschutz beobachteten Fangruppierung geflissentlich außer Acht gelassen. Dies würde die eigene Opferrolle in Frage stellen. Gleichzeitig macht “Scenario Lok“ in seiner Auflösungserklärung unmissverständlich deutlich, dass dem Verein nicht der Rücken gekehrt werden soll. “Es geht um unsere gemeinsame Liebe – unseren FC Lok! Für unsere Farben und für die Tradition! Blau und Gelb ein Leben lang!“ heißt es dort. (vgl. Belltower News)

 

Fanszene Lok

Der Verein blieb seiner Linie treu – was dazu führte, dass sich bei Lok die Ultragruppe „Fankurve 1966“ freier entfalten konnte, die sich gegen Diskriminierung ausspricht. Doch ganz war das Problem auch damit nicht behoben. Bereits seit 2010 bestand ein Anfangs loser Zusammenschluss der "Blue Caps LE", „Leipziger Jungs“ und Scenario unter dem Namen „Fanszene Lok“. Um die gemeinsame „Fanszene“ tummelt sich ein Spektrum von unpolitischen und rechtsoffenen Fußballfans bis hin zu Neonazis. Seit der Auflösung von SL entstand neben der „Fanszene Lok“ noch das Projekt „Eastside Rowdys“. Diese beiden Gruppen fingen zum größten Teil die Mitglieder der alten Gruppen auf und es besteht eine deutliche Nähe zu den Leipziger "Hells Angels". (vgl. Robert Claus: Hooligans. Eine Welt zwischen Fußball, Gewalt und Politik)

 

Platz für Neues: Fankurve 1966

Neue, bunte Fangruppen wie die „Fankurve 1966“ schafften es trotzdem sich innerhalb der Fanschaft zu etablieren und andere Wege aufzuzeigen. „Jegliche Formen von Diskriminierung und sonstigem menschenverachtendem Gedankengut haben in unseren Reihen definitiv keinen Platz“, schreibt die Gruppe auf ihrer Internetseite. Ein wichtiger Schritt der eigenen Anhänger_innen im Kampf gegen die Nazis im Stadion. Es bleibt zu hoffen, dass es langfristig gesehen auch einen positiven Einfluss auf die gesamte Fanszene bei Lok Leipzig hat. 

Ein Foto bei einem Heimspiel in der Saison 2016/17 von der "Fankurve 1966" zeigt ein Spruchband in Anlehnung an das Plakat beim Stadtderby 2002. Sie wollen keine Pauschalisierung von Lok-Fans und wollen auch nicht Rudolf Heß bei Lok rechts außen sehen. Quelle: Screenshot Internetseite Fankurve 1966.

 

 

 

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Leipziger Fußball: Bei Lok nur rechts außen? - Teil 3

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Werbevideo eines "Imperium Fight Team"-Kämpfers
Screenshot Youtube

Der politische Kampf der radikalisierten rechten Fanszenen findet in Leipzig mittlerweile vermehrt außerhalb von vermeintlichen Fußballkontexten statt. Dabei spielt das "Imperium Fight Team" mit seinen gut vernetzten Strippenziehern eine gewichtige Rolle.

 

Von Christian Freitag

 

Neue, bunte Leipziger Fangruppen wie die „Fankurve 1966“ schafften es, sich innerhalb der Fanschaft zu etablieren und konnten sich bei Lok frei entfalten. Das ist ein Zeichen, dass  die „Schreckensherrschaft“ der Nazis in der Fankurve allmählich ein Ende hat. Doch ganz ist das Problem auch damit nicht behoben. Teilweise haben sich nur die Label geändert.

Bereits seit 2010 bestand ein Anfangs loser Zusammenschluss der „Blue Caps“, „Leipziger Jungs“ und der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften „Scenario Lok“ unter dem Namen „Fanszene Lok“. Seit der Auflösung von „Scenario“ 2014 entstand neben der „Fanszene“ noch das Projekt „Eastside Rowdys“, beide Projekte dienten als Auffangbecken für die ehemaligen Scenario sowie Blue Caps Mitglieder. Um die gemeinsamen Projekte tummelt sich ein Spektrum von unpolitischen und rechtsoffenen Fußballfans bis hin zu Neonazis. Zudem weisen einige Mitglieder auch eine Nähe zu den Leipziger „Hells Angels“ auf. (vgl. Robert Claus)

Neue Fangruppen, alte Probleme und neue Betätigungsfelder

Von Vereinsseite wurde 2013 ein Fanbeirat ohne Beteiligung von „Scenario“-Mitgliedern gegründet und man gab sich zusätzlich ein Vereinsleitbild, in dem Gewalt und Diskriminierung abgelehnt werden. Der neu gewählte Vorstand arbeitete deutlich intensiver mit dem sozialpädagogischen Fanprojekt zusammen. Neue, antidiskriminierende Fangruppen wie die „Fankurve 1966“ schafften es zudem, sich innerhalb der Fanschaft zu etablieren und gleichzeitig andere Wege aufzuzeigen. „Jegliche Formen von Diskriminierung und sonstigem menschenverachtendem Gedankengut haben in unseren Reihen definitiv keinen Platz“, schreibt die Gruppe auf ihrer Internetseite. Ein wichtiges Zeichen der eigenen Anhänger_innen im Kampf gegen die Nazis im Stadion. Das diese sich zumeist immer noch mit dem 1. FC Lok identifizieren, zeigen beispielsweise verunglimpfende Aufkleber in der Stadt mit Aufschriften wie „ACAJ - All Chemiker Are Jews“ und „Juden Chemie“.

Die "Fankurve 1966" versucht gegen das Image der eigenen Fans zu kämpfen. Screenshot "Fankurve 1966"

 

Sieg oder Spielabbruch

Die Skandale blieben vorübergehend aus und der Verein sah sich in seiner Strategie bestätigt. Doch dieser Zustand währte nicht allzu lang. 2015 kam es nach einem Platzsturm und Angriffen auf die eigenen Spieler und anwesenden Polizist_innen beim Auswärtsspiel in Erfurt zu einem Spielabbruch. Unter den Randalierern waren auch wieder einige „Scenario Lok“-Mitglieder, die teilweise trotz Stadionverbot den Weg fanden.

Tweet des 1. Fc Lokomotive Leipzig nach dem Spielabbruch in Erfurt. Quelle Screenshot Twitter.

 

Der Schaden für den Verein war groß und zwang die Verantwortlichen ein weiteres Mal zum Handeln. Der damalige Team-Manager Rene Gruschka sagte nach dem Spiel, dass sich Ex-„Scenario“-Mitglieder wahrscheinlich mit anderen gewaltbereiten „Lok“-Anhänger_innen – teils aus der Free-Fight-Szene – sowie befreundeten Hooligans aus Halle zusammengetan hätten und einzig auf Konfrontation aus gewesen seien. (vgl. 11Freunde)

Es ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich die rechte Hooliganszene abseits des Fußballs weiterentwickelt hat. Die Hooligans haben sich andere Betätigungsfelder suchen müssen, da sie mehr und mehr aus den Stadien verdrängt wurden. Fündig wurden die Straßenkämpfer beim Free Fight, einer Kampfsportart, bei der so ziemlich alles erlaubt ist, was einen Gegner umhaut. Egal ob in Dortmund, Leipzig oder anderswo. Das Vorbild ist in den meisten Fällen Russland, wo diese Art des Gruppenkampfs als „offizielle Sportart“ gilt.

In Leipzig bestehen diese Strukturen schon länger. Anfangs schlossen sich Hooligans und „Erlebnisorientierte“ zum „Boxclub Lokomotive“ zusammen. Heutzutage besser bekannt als „Imperium Fight Team“. Einer der  Trainer ist Benjamin Brinsa, der jahrelang ein führendes Mitglied der „Scenario Lok“ war.

 

Das „Imperium Fight Team“ in Leipzig

Benjamin Brinsa, ehemaliges Scenario Mitglied, MMA-Kämpfer und jetzt Trainer des „Imperium Fight Teams“ in Leipzig, gilt als äußerst gut vernetzt in der rechten Szene und wurde dafür teilweise von Wettkämpfen aufgrund seiner Vergangenheit ausgeladen. Seit einigen Jahren findet in Leipzig jährlich das  Kampfsportevent „Imperium Fighting Championship“ statt – Ausrichter ist das „Imperium Fight Team“ von Brinsa, der auch Mitorganisator dieses Events ist

Die Kampfsportevents des „Imperium Fight Teams“ sind die größten ihrer Art in Deutschland. Unterstützung gibt es natürlich auch aus der Fanszene Lok, die mit einem Spruchband während eines Spiels für das Event mobilisierten: „Support your local MMA Team“.

 

Mehr Informationen:

 

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Sportpolitik der AfD - Nationale Anbiederung

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Nicht nur in der Klima- und Rentenpolitik bestach die Alternative für Deutschland in den vergangenen Monaten durch offene Konzeptlosigkeit. Auch in der Sportpolitik hatte die Partei bisher kaum etwas zu bieten. Um den Versuch zu unternehmen, diese Lücke ein Stück weit zu schließen, hat sie Ende August erstmals sportpolitische Positionen, in Form von 14 Thesen, veröffentlicht.

 

Von Robert Claus, dieser Text ist zuerst  "Werkstatt-Blog" erschienen

 

Vieles davon sind phrasenhafte Allgemeinplätze: Vom hohen gesellschaftlichen Stellenwert des Sports, seiner Bedeutung für eine „gesundheitsbewusste Lebensgestaltung“ ist dort die Rede. Gefordert wird, das nationale Ansehen durch Erfolge im Spitzensport zu fördern, gleichzeitig den Breitensport zu unterstützen und letztlich die Gelder für den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) zu erhöhen. Dinge, die sich in ähnlicher Form auch in anderen Parteiprogrammen finden, wenngleich von der AfD des Öfteren mit den Begriffen von Volk und Nation gespickt. Ein verhältnismäßig zahmes Papier.

 

Fehlende Themen

An einer Stelle sollte das Fußballpublikum jedoch besonders aufhorchen: Unter These 13 zu „Sport und Medien“ erteilt man den über die vergangenen Jahre gestiegenen Investitionen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks in die Übertragungsrechte der Bundesligen eine Absage. „Der immer mehr kommerzialisierte Fußball kann genauso gut und zu marktgerechteren Preisen von den Privatsendern präsentiert werden“, heißt es dort. So setzt die Partei in neoliberaler Manier auf die Kräfte des Marktes, anstatt die Kommerzialisierung des Fußballs zu kritisieren. Zwischen den Zeilen ist es eine deutliche Distanzierung zu den jahrelangen Kämpfen der aktiven Fanszenen in Deutschland. Mit mehreren Kampagnen waren sie gegen die privatsendergerechte Zerstückelung der Spieltage vorgegangen – ohne Erfolg.

Jenseits dessen ist weniger das Geschriebene interessant als vielmehr die fehlenden Themen. Denn obwohl die AfD dauerhaft in rassistischer Manier gegen Mesut Özil hetzte und im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017 noch die obligatorische Teilnahme von muslimischen Mädchen am schulischen Schwimmunterricht forderte, fehlen derlei Spitzen oder gar hetzerischer Rassismus im aktuellen Papier komplett. Auf den ersten Blick überrascht dies insofern, als dass die AfD ansonsten jedes noch so fern liegende Problem gerne auf die „Ursache Migration“ zurückführt, um stets ihr Kernthema – den völkischen Nationalismus – zu bedienen. Doch selbst auf eine Kritik von DOSB-Programmen wie „Integration durch Sport“ hat man verzichtet – womöglich um die Spitzen des Verbandes nicht allzu sehr zu verärgern. Denn dieser kann sich in einigen Disziplinen – z.B. im Boxen oder auch Turmspringen – ohne Migration kaum in der Weltspitze halten

 

Sport und nationalistische Bewegungen

Darüber hinaus überrascht auch der Zeitpunkt des Papiers, denn es kommt sehr spät. In der Geschichte nationalistischer Bewegungen spielte der Sport neben dem Kulturbetrieb immer eine besondere Rolle, als ein den staatlichen Institutionen vorgeordneter Raum, in dem Kämpfe um politische Hegemonien ausgefochten werden. Zumal Sport in der extremen Rechten oft mit militäristischen sowie volksgesundheitlichen Zielen verbunden war. Auch der deutsche Nationalismus ist in seiner Geschichte eng mit der Entstehung der Turnerbewegung verknüpft. Die AfD hingegen verzichtete seit ihrer Gründung auf eine aktive Sportpolitik und hinterließ eine – für rechte Parteien – ungewöhnliche Lücke.

Welche sie mit ihren sportpolitischen Thesen nun zu schließen versucht. Heraus gekommen ist ein Papier, dessen strategisches Ziel vor allem darin besteht, sich dem DOSB handzahm anzubiedern. Die AfD will sich als normalisierter, politischer Gesprächspartner für die Strukturen des Sports in Stellung bringen und verzichtet dafür auf die schrillen völkischen Töne. Der DOSB und andere Verbände tun gut daran, dem gefährlichen Schauspiel nicht aufzusitzen. Denn der frappierende Rassismus in der Partei ist kein Stück geringer geworden.

 

Robert Claus, Jahrgang 1983, forscht, hält Vorträge und publiziert zu den Themen Fankulturen, Hooligans, Rechtsextremismus, Männlichkeiten, Soziale Bewegungen und Gewalt. Zuletzt erschien von ihm „Hooligans. Eine Welt zwischen Gewalt, Fußball und Politik“.

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